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Sehnsucht

Sehnsucht

Titel: Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang R. Hantel-Quitmann
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vielleicht gehofft, dass ihre Sehnsucht, ihre Liebe und ihr eigenes sexuelles Verlangen diese Gefühle abtöten oder zumindest überwinden würden. Florence musste ihn nah bei sich spüren, sonst ließ sich die dämonische Angst nicht unterdrücken, die sie zu überwältigen drohte. Sie musste wissen, dass er bei ihr war, an ihrer Seite, dass er sie nicht missbrauchte. 12 Da ist der Missbrauch angesprochen, der ansonsten im Nebel der unklaren Erinnerungsfetzen, der Scham, der Schuld und des Ekels gefangen war. Und was sie dann sagt, ist ihr ganz ernst, nur versteht es Edward nicht: Vielleicht sollte ich in psychologische Behandlung gehen. Vielleicht sollte ich auch lieber gleich meine Mutter umbringen und meinen Vater heiraten. 13 Sie war nie wieder so nah an der Wahrheit, hätte es beinahe geschafft, aber die Verletzungen saßen zu tief, auch bei Edward. Danach bekam die Sehnsucht in ihrem Leben keine zweite Chance mehr, gegen die Geister der Vergangenheit zu kämpfen, sie hatte diesen Kampf verloren.
    Die verpassten Chancen
    Wir haben gesehen, dass der Weg vom Gefühl zur Phantasie normal ist, dass Liebesgefühle sich selbst immer mehr mit Phantasie anreichern und dies wiederum die Gefühle verstärkt. Wie verläuft der umgekehrte Fall? Wie kann aus der bloßen Phantasie ein Gefühl werden? Und wie kann dabei auch noch eine Sehnsucht entstehen, die zuvor gar nicht empfunden wurde? Es ist die Phantasie einer Wirklichkeit, die bislang gar nicht wahrgenommen wurde, weder im Denken noch in den Gefühlen. Und wenn der Verdacht über eine mögliche Wirklichkeit zur Gewissheit wird, dann brauchen die Gefühle manchmal nur Sekunden, um sich machtvoll einzustellen. Kann sich aus der Phantasie aucheine Sehnsucht ergeben? Ja, wenn die Sehnsucht aus bislang unbefriedigten Bedürfnissen besteht!
    Zuerst entsteht eine unklare und ungeheure Phantasie, die man immer wieder zurückdrängt, weil man sie einfach nicht wahrhaben will. Aber je konkreter und wahrscheinlicher diese Phantasie wird, desto stärker werden die Gefühle, die dann manchmal kaum noch kontrollierbar erscheinen. Sie entstehen zeitverzögert im Gefolge der Phantasien und drängen dann stark in den Vordergrund des Erlebens. So berichtet eine Klientin aufgebracht:
    Ich hatte anfangs nur so einen Verdacht. Er ging mir aus dem Weg, wir hatten keinen Sex mehr und neuerdings ging er zum Telefonieren immer ins Bad. Das kam mir dann doch komisch vor. Als ich ihn darauf ansprach, tat er so, als würde ich Stimmen hören und spinnen. Dann hatte er eines Tages sein Handy zu Hause vergessen. Ich wusste eigentlich schon, was mich erwartet, bevor ich anfing, die Mitteilungen in seinem Handy zu lesen. Ich wollte nicht spionieren, aber mir auch nicht sagen lassen, dass ich spinne. Danach bin ich gleich an seinen Computer gegangen. Ich kannte sein Passwort und bin in sein E-Mail-Postfach gegangen. Als ich merkte, wie all meine Phantasien, die ich vorher gehabt hatte, bittere Wirklichkeit wurden, holten mich meine Gefühle ein. Ich habe erstmal nur geschrien und dann heulend meine Sachen gepackt. Bevor ich ging, hatte ich mir noch die gesamte E-Mail-Korrespondenz mit dieser Tussi ausgedruckt. Damit hatte ich den Beweis, dass ich nicht spinne. Als er am Abend von der Arbeit kam, war ich weg.
    Sie war verletzt und gekränkt, erst viel später hatte sie sich nochmal mit ihrem Ex-Partner getroffen und über ihre gemeinsame Beziehung geredet. Das Vertrauen war für sie verloren gegangen und damit war die Beziehung für sie beendet gewesen. Es wäre alles verständlich, wenn nicht die Sehnsucht sie daran erinnern würde, dass in ihrer Logik irgendetwas nicht stimmen konnte. Sie hatte die Phase seiner Verliebtheit in die andere Frau anscheinend nicht mitbekommen, sie hatte sie schlicht verpasst. Dass er alles dafür getan hatte, sie nichts merken zu lassen, versteht sich von selbst und ist ein Teil der Erklärung, aber nicht die ganze. Es geht auch nicht um die Zeit des konkreten Betruges, sondern um die Zeit davor. Sie hatte anscheinend seine Unzufriedenheit nicht bemerkt, sie hatte einfach nicht mitbekommen, wie er sich von der Beziehung entfernte. Einer Liebesaffäre geht in der Regel eine längere Zeit der partnerschaftlichen, sexuellen und kommunikativen Unzufriedenheit voraus und genau diese Phase hatte sie anscheinend versäumt. Sie war zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen und zu

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