Sei mein Stern
Zukunft auf Siria lag.
Herrje, was für eine Blamage!
Er war imstande, sich jedes Elektrogerät in den Weiten des Universums untertan zu machen, aber die Frau, die er liebte, erschien ihm nach wie vor wie ein unentschlüsselbarer Geheimcode. Und dem notwendigen Werkzeug zur Dechiffrierung war er bisher einfach nicht auf die Spur gekommen. Zum allerersten Mal in seinem Leben fühlte er sich vollkommen hilflos.
Kaum auf der Erde eingetroffen, hatte Jana sich auf den Weg zu ihren Eltern nach Hamburg gemacht, um sich die ganze Problematik in aller Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen. In Ermangelung eines besseren Plans war Simon bei seinem Bruder geblieben und gab sein Bestes, um Janas datentechnische Existenz wieder zusammenzuschustern, was sich als ziemlich mühsam entpuppte. Verzweifelt ließ er den Kopf nach vorne fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Simon, das kann man ja nicht mit ansehen, wie ihr beiden euch gegenseitig drangsaliert“, riss ihn da urplötzlich Valeries Stimme aus seinen trüben Gedanken.
Er richtete sich auf und seufzte brunnentief. „Was du nicht sagst. Aber was zur Hölle soll ich denn tun? Zwischen uns stehen so viele Lügen, dass wir nicht mehr imstande sind, Wahrheit und Fiktion auseinanderzuhalten.“
Valerie rutschte schwerfällig auf den Gartenstuhl neben ihm und legte sich die Hände auf den Bauch, der sich in den letzten Wochen leicht gewölbt hatte. „Glaubst du, sie kommt zurück?“, fühlte sie ihm vorsichtig auf den Zahn.
Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe keinen blassen Schimmer. Unsere Zukunft steht auf Messers Schneide. Und ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich ohne sie weiterleben soll.“
Valerie strich ihm zärtlich übers Haar, woraufhin er den Arm um ihre Schultern schob und sie sanft gegen ihn sank. Eine Zeit lang saßen sie wortlos da und schauten in den sternenverhangenen Himmel. Eine leichte Brise wehte um das Haus und ließ die Blätter der Bäume geheimnisvoll knistern, so als tuschelten sie im Hintergrund über Simons Misere. Der würzige Duft frisch gemähten Grases umhüllte sie, da Rafael am Abend den Rasenmäher mit mentaler Kraft durch den Garten hatte wirbeln lassen.
„Ich kann haargenau nachvollziehen, wie dir zumute ist“, unterbrach Valerie schließlich die schon fast beängstigende Stille, die den Münchner Vorort fest im Griff hatte. „Ich musste damals drei lange Monate ohne Rafael auskommen, und das Gefühl ihn vielleicht nie mehr wiederzusehen, hat mich geradezu gelähmt. Wenn ich nur an diese Zeit zurückdenke, bricht mir jetzt noch der Schweiß aus.“
Simon lachte kurz auf. „Oh, du willst vermutlich gar nicht wissen, wie Rafael drauf war. Die Trennung von dir hat ihn buchstäblich die glatten Wände hochgehen lassen. Er hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um zu dir zurückzukehren, sogar Erpressung oder Gewaltandrohung sind ihm durch den Kopf geschossen. Tag für Tag ist er wie ein Verrückter mit dem Gleiter über den Planeten gejagt, und wir hatten schon Angst, er würde sich den Schädel einrennen.“ Er räusperte sich. „Aber sag mal, Valerie: Mein Vater hat die Behauptung aufgestellt, Rafael und ich wären nicht in der Lage, einen Verlust zu akzeptieren. Siehst du das genauso?“
Valerie kicherte. „Na, das trifft die Realität nicht mal ansatzweise. Als Rafael mutmaßte, er hätte mich an meine Jugendliebe verloren, hat er mir vor lauter ungebändigter Wut um ein Haar alle Erinnerungen an ihn gelöscht. Im allerletzten Moment konnte ich deinen Bruder noch einbremsen.“
Da ging ein Ruck durch Simons Körper. „So was geht?“
Valerie hob den Kopf von seiner Schulter und blickte ihn verdrossen an. „Nein, Simon. Denk noch nicht mal daran!“
„O doch! Stell dir mal vor, jemand könnte diese ganzen Lügen aus Janas und meinem Gedächtnis herauspusten, dann wäre unser gegenseitiges Vertrauen wiederhergestellt.“
„Simon, vergiss es, keine zehn Pferde könnten in deinen Schädel eindringen.“
„Aber nur wegen dieses Mikrochips. Und wenn man ihn entfernt?“
Valerie winkte ab. „Ach, hör doch auf. Du verwechselst das wahre Leben mal wieder mit einem deiner Computerspiele! Du kannst nicht einfach den Resetknopf drücken und einen Neustart initiieren. Außerdem ist zu befürchten, dass sich dabei alle Erinnerungen in Luft auflösen würden. Es wäre, als hättet ihr euch niemals kennengelernt. Ihr müsstet euch neu verlieben. Woher willst du wissen, dass so etwas Magisches ein
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