Sei schlau, stell dich dumm: Biographie
wenn ich dort vorbeikomme, steht die Polizei vor der Tür. Aber ihn selbst habe ich noch nie zu Gesicht bekommen. Damals nicht, als er noch Bundeskanzler war, und jetzt als Rentner ist er irgendwie auch unsichtbar. Der Kohl muss ja viel Gutes für Deutschland getan haben, auch wenn ich das schwer beurteilen kann. Als die Mauer fiel, da war ich drei, und als Kohl abgewählt wurde, da war ich vielleicht elf oder zwölf. Ein Kind eben.
Heute bin ich zwar erwachsen, aber von Politik habe ich bis jetzt immer noch null Ahnung. Man könnte es vornehm ausdrücken: Ich komme aus einem politisch eher uninteressierten Elternhaus. Meine Mutter hat in ihrem ganzen Leben noch nie gewählt, keinen Kohl, keinen Lafontaine, keinen Schröder. Gewählt hat sie nur ihre eigenen Männer – und da gab’s häufig Neuwahlen.
Die zwei Male, die ich bisher hätte wählen dürfen, habe ich auch keinen Stimmzettel abgegeben. Ich mache meiner Mutter wirklich selten was nach, aber da sind wir ausnahmsweise einer Meinung.
Ich denke immer, die da oben, die machen ja doch, was sie wollen. Die Leute gehen wählen, weil sie was ändern wollen, und hinterher bleibt doch alles so, wie es war. Oder es wird noch schlechter. Würde es hier bei uns Volksabstimmungen geben, so wie die das immer in der Schweiz machen, dann wäre ich sofort dabei. Nicht eine Partei wählen, sondern ein Projekt: eine Autobahn, ein Kraftwerk, einen Sportplatz, einen Zebrastreifen. Das finde ich toll.
Was mich mit Helmut Kohl, außer Oggersheim, verbindet, ist die Vorliebe für Saumagen und Pfälzer Leberwurst, am liebsten die graue Grobe. Die habe ich im Kindergarten schon immer so gerne gegessen. Da haben sie mich ein bisschen gehänselt, weil das ja immer so stinkt und ich habe fast jeden Tag danach gerochen.
Ich bin jedenfalls kein Gourmet. Wie denn auch, wenn ich mit Fertiggerichten groß geworden bin? Meine Mutter wusste, was mir schmeckt, und hat mir fürs Mittagessen immer etwa zwanzig verschiedene 5-Minuten-Terrinen hingestellt. Also eigentlich eine große Auswahl, aber in Wahrheit nie eine echte Wahl. Die Dinger liebe ich aber bis heute, am allerliebsten sind mir diese chinesischen Nudelsuppen mit Huhn. Oder eine Dose Ravioli, auch lecker.
Dass ich der zweitberühmteste Mensch bin, den Oggersheim je hervorgebracht hat, klingt blöd, ist aber wohl so. Es gibt heute, hab ich irgendwo gelesen, schon kleine Mädchen, die wollen nicht mehr Tierärztin oder Model, sondern Katzenbergerin werden. Das ist doch total abgefahren!
Ich meine, rasend viel hat Ludwigshafen auch nicht zu bieten. Der Rhein, die BASF , die A61, na ja. Aber Ludwigshafen (böse Leute sagen manchmal auch »Lumpenhafen« – pfui, so schlimm ist es bei uns nun auch nicht) ist mein Zuhause. Ist zwar ein bisschen stinkig und hässlich, nicht gerade schick, aber selten. Für mich kommt keine andere Stadt in Frage. Na ja, um ehrlich zu sein, ich habe mal kurz über Leipzig nachgedacht, weil da auch mein Management sitzt. Und meine Lieblingsfotografin. Und mein Lieblingsredakteur. Aber es war wirklich nur mal kurz ’ne Idee. Oggersheim ist und bleibt mein Daheim.
Mit fünfzehn wollte ich sogar mal »Miss Ludwigshafen« werden. Da stand ich also da vorne am Mikro und sollte so blöde Fragen beantworten wie: »Was würdest du denn am liebsten in Ludwigshafen ändern?« Ich meine, was sollst du denn da sagen als Fünfzehnjährige? Die wollten irgendwas Schlaues hören, wie neue Fußgängerzone, mehr Ampeln oder so was.
Mir kamen aber nur mehr Freistunden in der Schule und eine Taschengelderhöhung in den Sinn. Ihr wisst doch: Schlagfertigkeit ist das, was einem auf dem Heimweg einfällt. Und auf den konnte ich mich schon nach der ersten Runde machen. Ich war komplett chancenlos – und das lag nicht an meiner Figur, trotz meines damals noch eher kleinen Naturbusens.
Wenn man so will, bin ich ja in einer Art sozialem Brennpunkt groß geworden. Den gibt es nicht nur in Berlin-Neukölln, wo heute ja alle von reden. Aber ich mag damit keine Werbung machen: Hey, schaut mich an, ich hab’s geschafft! Schwierige Kindheit und so, und trotzdem ist was aus mir geworden. Das überlasse ich lieber anderen. Sido, Bushido und Co. – die schmücken sich ja gern damit.
Wir hatten zwar auch nicht viel, und meine Mutter hat echt hart gebuckelt, aber es ging uns immer noch besser als vielen anderen. Ein kleines Wassereis an der Tankstelle war bei uns irgendwie immer noch drin. Und ich lief auch nie in Lumpen rum.
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