Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
den unveräußerlichen Menschenrechten zählt, ist im Kampf gegen die Blöden außer selbstverständlicher Tapferkeit eine Strategie bestehend aus List,Tücke,Witz, Fantasie nötig.
Auf Altkluge, die ungebrochen an sich und die Überlegenheit ihrer göttlichen Gedanken glauben, muss dabei verzichtet werden. Die Alten sind zwar immer noch klug und weise, doch nicht mehr so beweglich wie einst. Deshalb schweben sie über den Niederungen des Alltags.Wenn
auf Erden alle gültigen Normen zum Teufel gehen, wenn die letzten Tabus sterben, wenn singende, grölende, tanzende Prolos die Mattscheiben bevölkern, wenn Lehrer von ihren Schülern gemobbt, Eltern von ihren Kindern beschimpft, wenn sprachlose Bücher die Hirne verkleben, wenn brutale Killerspiele echte Killer produzieren, wenn eine Gesellschaft Shakespeare mit einem Hersteller von besonderen Angelruten statt mit jenem Besonderen assoziiert, bedarf es sprachgewaltiger, laufstarker Guerillataktik statt mahnender Worte. Gegen die Besatzungsmacht der Kopflosen ist eine verbale Intifada nötig.
Darf man das?
Darf man.
Wie so oft im Leben gibt es zwei mögliche Wege zum Ziel. Alternative drei, den Blöden das Tiefland zu überlassen und sich in den nah wie fern vorhandenen Hochburgen der Kultur – Kunst, Literatur,Theater, Musik – an den Freuden schöner Götterfunken zu ergötzen, ist keine Option. Ein solcher Rückzug wäre Feigheit vor dem Feinde.
Auf, auf zum Kampf also.
Alternative eins: Einmarsch mit offenem Visier ins Feindesland, im Tornister profunde Bildung verstaut, die passende Munition gegen alles, was im Fernsehen stinkt oder was nach sprachlosen Büchern riecht oder was im Internet die Luft verpestet. In den eigenen Schützengräben lauern zur Unterstützung Gleichgesinnte, ebenfalls mit Sprache bewaffnet. Wackere Kämpfer fürs Wahre, Gute, Schöne aber, so grimmig entschlossen sie auch sein mögen, wecken jedoch selten Leidenschaft, erreichen Blöde nicht, reden bedeutend, aber unverständlich, sind ausgerüstet mit schusssicheren Überzeugungen, die in ihrer Jugend 1968 revolutionär waren, aber mittlerweile Patina angesetzt haben. Ihre Schüsse gehen sozusagen nach hinten los.
Das sehen sie natürlich anders. Ihre Erzählungen, wie mutig und leidenschaftlich sie mal die Welt verändert haben oder zumindest verändern wollten, wenn ihnen nicht leider im letzten Moment was dazwischengekommen wäre, will jedoch niemand mehr hören. So wenig, wie sie es einst hören wollten, wenn ihre Väter die ewig gleichen Geschichten erzählten, wonach früher alles besser war – die Kirche im Dorf, die Ordnung im Staat, der Respekt vor dem Alter.
Die hartleibigen Besserwisser unter inzwischen Zweifelnden sind aber immer noch und nichtsdestotrotz überzeugt davon, wenn auch nicht mehr recht überzeugend, besser als andere zu wissen, was Schüler lernen müssen – siehe da: Ordnung einhalten; warum sich Erwachsene so benehmen sollten, dass sie in ihrem Tun ein Vorbild sind – siehe da: Beispiele geben; wie Eltern ihre Kinder erziehen sollten – siehe da: Disziplin durchsetzen. Die Anhänger von Alternative eins glauben vor allem – außer an die genannten Tugenden, die Böswillige sekundäre nennen würden – unerschütterlich daran, dass sich mit den klassischen Methoden Humanismus, Bildung,Vernunft der Sumpf trockenlegen ließe. Ihre auf intellektuelle Einsicht in das Notwendige bauende Taktik versteht jedoch keiner von denen, die sie erreichen wollen, weil die nun mal keine Intellektuellen sind. Und sie erzielt keine nennenswerten Quoten bei noch unentschlossenen Schlachtenbummlern, die zögern, wem sie sich anschließen sollen, um am Ende bei den Siegern zu landen, den Kämpfern oder den Bekämpften.
Niemand mag Oberlehrer.
Niemand schätzt Besserwisser.
Deutsche Blöde schon mal gar nicht.
Hiermit wird die »Operation Klugscheißer« beerdigt.
Alternative zwei ist erfolgversprechender: Der Einmarsch ins Feindesland wird angepasst an die zu erobernde Umgebung.
Visier heruntergeklappt, um sich als Blödkopf getarnt dem tümelnden Volk nähern zu können. Die Massen werden nicht in offener Feldschlacht gestellt, sondern unauffällig und klammheimlich unterwandert. Das macht zudem grundsätzlich mehr Spaß als die im deutschen Wesen verankerte Neigung, andere mit ernster Miene zu belehren.
Sobald die Blöden ihre diversen Dschungelcamps verlassen, um schwimmend neue Ufer zu erobern, werden sie unauffällig unter Wasser begleitet. Das schaffen
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