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Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
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füllen.
    Geht das?
    Und ob das geht.
    So zum Beispiel:
    Deutsche ab sechs Jahren werden nach diesem notwendigerweise in strikter Geheimhaltung entwickelten Plan X
aufgerufen, während eines live übertragenen Fernsehevents aus der Schar der ihnen bekannten Blödmacherinnen und Blödmacher eine Königin oder einen König zu wählen. Mittels Teledialog (TED) soll das gesamte Volk telefonisch einen Superstar unter all denen küren, die ansonsten in ihren als Show getarnten Seichtgebietsvergnügen selbst nach einem Superstar suchen lassen. In Deutschland lebende Ausländer dürfen, falls sie ein Handy bedienen können – aber das können die meisten, bevor sie zu lesen gelernt haben -, bei der Wahl mitmachen. Deutschkenntnisse sind nicht erforderlich. Die werden bei gebürtigen Deutschen ja auch nie hinterfragt. Jede abgegebene Stimme zählt. Damit dabei möglichst viele aus der Zielgruppe derer mitspielen, die sich dumm und dämlich lachen, wenn sie mal wieder nicht merken, dass sie für dumm verkauft werden, müsste als Sponsor ihr Zentralorgan gewonnen werden, die »Bild«-Zeitung.
    Schon wären zwei Essentials aus dem skizzierten Strategiepapier verwirklicht – ohne moralische Bedenken ein Erfolgsformat kopieren und ohne Scham den stärksten Verbündeten wählen. Geistiger Diebstahl als Vorwurf kann mit der Bitte gekontert werden, in dem Zusammenhang doch gefälligst mal das Wort »geistig« zu definieren.
    Das Spiel wäre ein Spiel ohne Grenzen, weil der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Die unterscheidet sich von der Realität unter anderem dadurch, dass mit ihr Seit’ an Seit’ auf der Welt alles möglich ist. Es soll zwischen Himmel und Erde bekanntlich mehr geben, als Schulweisheit sich träumen lässt. In diesem Zwischenreich siedeln die Erfinder des Unvorstellbaren ihre ultimative Show an, verankern sie aber aus taktischen Gründen Richtung Erde in den unterirdischen Wünschen des Publikums und lassen sich trotzdem nach oben gleichzeitig alle Möglichkeiten offen.
    Übertragen wird das nicht, wie es im realen Fernsehalltag
Sitte ist, als übliche Freakshow von RTL oder Sat.1 oder ProSieben, den für Ausscheidungen zuständigen Kanälen der Unterschicht. Sondern als Themenabend, der ohne Beispiel ist in der Geschichte des seriösen Fernsehens, von Arte oder als Kulturzeit in 3sat, die in diesem einmaligen Fall in gelassener Selbstironie der Macher als »Kultzeit Extra« angekündigt würde.
    Wer den gewaltigen Unterschied zwischen Kultur und Kult kennt, freut sich auf seinem gehobenen Niveau, wer ihn nicht kennt, versäumt auf seiner Ebene auch nichts. Denn der Begriff des Kults, der eigentlich die unsterblichen Mythen der Kultur umfasst und zutrifft auf Legenden wie Jim Morrison, James Dean, Jimi Hendrix, Jerome D. Salinger, Marilyn Monroe, Greta Garbo etc., ist über Jahre systematisch entseelt worden durch sprachlose Dummschwätzer, weltweit werktätige Leichenschänder, die sich inzwischen in allen Medien herumtreiben. Hier geht es zwar vorrangig um deutschsprachige Deppen, um heimisches Leergut, doch im globalen Netzwerk lässt sich jede Dummheit innerhalb weniger Sekunden online in alle leeren Köpfe pflanzen.
    Prominente Nullnummern werden von Gossenguys und -girls in bunten Blättern oder TV-Magazinen schon in dem Moment als »kultig« bezeichnet, wenn sie bei ihren Auftritten von pubertierenden Kreischkindern bedrängt oder auf Jahrmärkten der Eitelkeiten umschwärmt werden, obwohl sie eigentlich nichts weiter können, als zu massieren, zu frisieren, zu frittieren. Es gab Zeiten, da hätte man ihnen nicht nur geraten, sondern befohlen, uns mit ihren Dummheiten zu verschonen und sich auf- oder untereinander zu vergnügen – aber das ist lange her.
    Solche Pauschalurteile sind verlockend wie Pauschalreisen. Der Verzicht auf Originalität macht beide billiger. Pauschal urteilend schreibt es sich deshalb leichter. Doch ist es
wirklich besonders originell, die Frage zu stellen, wie viel Dummheit eine Gesellschaft verträgt, ohne dass die demokratische Kultur in Gefahr gerät? Wer sie so pauschal stellt, gilt fast als Philosoph, zumindest als Leser von Peter Hahne, und gehört zu den nicht ganz so Blöden. Die in diesem Zusammenhang rein zufällig passende Metapher des unvergessenen Heinz Erhardt, wonach viele deshalb einen Kopf besitzen, damit sie ihr Stroh nicht mit beiden Händen tragen müssen, beweist nur, dass Verblödung kein neues Phänomen ist. Früher waren nicht schon automatisch

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