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Seidenfächer

Titel: Seidenfächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L See
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sind nun beinahe so viele Jahre, wie Schneerose bei ihrem Tode alt war – habe ich dies bereut.
    Aber sie waren noch nicht fertig mit mir.
    »Sie hat versucht, es Euch in jeder Hinsicht recht zu machen«, sagte Lotos, »sogar indem sie nach der Geburt zu bald zum Liebesspiel bereit war.«
    »Das ist doch nicht wahr!«
    »Immer wenn sie ein Baby verloren hat, habt Ihr nicht mehr Mitleid mit ihr gezeigt als ihr Mann oder ihre Schwiegermutter«, fuhr Weide fort. »Ihr habt immer gesagt, dass sich ihr Wert allein dadurch bestimmt, dass sie Söhne bekommt, und sie hat Euch geglaubt. Ihr habt ihr gesagt, sie soll es wieder versuchen, und sie hat Euch gehorcht.«
    »Aber das sollen wir doch sagen«, antwortete ich entrüstet. »So spenden wir Frauen doch Trost …«
    »Aber glaubt Ihr denn, diese Worte waren ihr ein Trost, nachdem sie wieder ein Baby verloren hatte?«
    »Ihr wart nicht da. Ihr habt nicht gehört...«
    »Versuch es wieder! Versuch es wieder! Versuch es wieder!«, spottete Pflaumenblüte. »Könnt Ihr abstreiten, dass Ihr das gesagt habt?«
    Ich konnte es nicht.
    »Ihr habt verlangt, dass sie darin wie auch in vielen anderen Dingen Eurem Rat folgte«, fiel Lotos ein. »Und wenn sie es dann getan hat, habt Ihr sie kritisiert …«
    »Ihr verdreht meine Worte.«
    »Ach ja?«, fragte Weide. »Sie hat die ganze Zeit von Euch gesprochen.
Sie hat nie schlecht von Euch geredet, aber wir haben gehört, was in Wahrheit geschehen ist.«
    »Sie hat Euch geliebt, wie es eine laotong tun sollte, mit allem, was Ihr wart und was Ihr nicht wart«, schloss Pflaumenblüte. »Aber Ihr habt zu sehr wie ein Mann gedacht. Ihr habt sie geliebt wie ein Mann und habt sie nur geachtet, wenn sie den Männerregeln gefolgt ist.«
    Als sie eine Runde beendet hatten, begann Lotos von neuem.
    »Wisst Ihr noch, wie wir in den Bergen waren und sie das Baby verloren hat?«, fragte sie in einem Ton, der mich das Folgende mit Schrecken erwarten ließ.
    »Natürlich erinnere ich mich.«
    »Sie war bereits krank.«
    »Das kann nicht sein. Der Metzger...«
    »Vielleicht hat es ihr Mann an dem Tag ausgelöst«, gab Weide zu. »Aber das Blut, das aus ihrem Körper geflossen ist, war schwarz, aufgestaut, tot, und keine von uns hat darin ein Baby gesehen.«
    Wieder bildete Pflaumenblüte den Abschluss. »Wir waren viele Jahre hier mit ihr zusammen, und es ist noch mehrere Male passiert. Sie war schon ziemlich krank, als Ihr Eure Schmährede gesungen habt.«
    Bisher hatte ich ihnen nichts entgegensetzen können. Wie sollte ich ihnen jetzt widersprechen? Der Tumor musste über sehr lange Zeit gewachsen sein. Plötzlich fügte sich alles zusammen: Schneeroses Appetitlosigkeit, ihre bleiche Haut und ihre mangelnde Energie, gerade als ich sie drängte, besser zu essen, sich in die Wangen zu zwicken, damit sie Farbe bekämen, und all die Arbeiten zu verrichten, die von ihr erwartet wurden, um Harmonie in das Haus ihres Mannes zu bringen. Und dann fiel mir ein, dass sie sich vor gerade zwei Wochen, als ich in dieses Haus kam, entschuldigt hatte. Ich hatte das nicht getan – nicht einmal, als sie ihre schlimmsten Schmerzen litt, nicht einmal,
als ihr Tod unmittelbar bevorstand, und auch nicht, als ich mir selbstgefällig eingestand, dass ich sie noch liebte. Ihr Herz war immer rein gewesen, doch meines war geschrumpft, hart und trocken wie eine alte Walnuss.
    Manchmal denke ich an diese Schwurschwestern – sie sind jetzt natürlich alle tot. Sie mussten aufpassen, was sie zu mir sagten, denn ich war ja Dame Lu. Aber sie wollten mich nicht aus diesem Haus gehen lassen, ohne dass ich die Wahrheit erfahren hatte.
    Ich fuhr nach Hause und zog mich mit dem Seidenfächer und ein paar geretteten Briefen in mein oberes Gemach zurück. Ich rieb Tusche, bis sie schwarz wie der Nachthimmel war. Ich schob den Fächer auf, tauchte den Pinsel in die Tusche und machte meinen, wie ich glaubte, letzten Eintrag.
    Du, die du immer mein Herz gekannt hast, fliegst nun über den Wolken in der Wärme der Sonne. Ich hoffe, wir werden eines
    Tages zusammen fliegen. Ich sollte viele Jahre haben, um über diese Zeilen nachzudenken und mein Möglichstes zu tun, um wieder gutzumachen, was ich dem Menschen angetan hatte, den ich am allermeisten auf der ganzen Welt liebte.

STILLSITZEN

REUE
     
     
    I ch bin jetzt zu alt, um meine Hände zum Kochen, Weben oder Sticken zu gebrauchen. Wenn ich auf sie hinabblicke, sehe ich die Flecken, die ein zu langes Leben mit sich bringt, ob man nun

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