Seidentanz
legte den Finger auf seinen Mund.
»Die Narbe. Woher stammt die?«
»Ein Andenken an eine kleine Meinungsverschiedenheit. In Tabriz. Der Arzt hat die Wunde nicht richtig genäht. Sieht nicht besonders gut aus, oder?«
»Ich fand sie erotisch. Vom ersten Augenblick an.«
»Was war denn daran so erotisch?«
Ich legte beide Hände auf seine harten, braunen Hüften.
»Weil ich wissen wollte, wie dein Mund schmeckt. Lippen, die sich öffnen, bedeuten, daß auch der Körper sich darbietet.«
Er schüttelte den Kopf. Seine Locken fielen ihm über die schräg stehenden Augenbrauen.
»Eigentlich habe ich nie darüber nachgedacht, wie Frauen das empfinden. Wenn ich zu dir sage, du hast schöne Titten, einen tollen Arsch, kommt mir das normal vor. Aber wenn du so zu mir sprichst, werde ich rot.«
»Das sehe nur ich. Komm!«
Ich öffnete die Schenkel, den Kopf zurückgeworfen, während er mich küßte. Sein Mund war heiß und ungestüm, genau wie ich es mir vorgestellt hatte. Er tauchte in mich ein, geschickt und mühelos, bewegte sich langsam in mir. Ich zeigte ihm alles, was ich wollte, er war sehr geübt in diesen Dingen, beherrschte sich perfekt. Keine Eile, nein, Pierre mochte das nicht. Sein Körper pulsierte mit meinem Herzschlag, im gleichen, tragenden Rhythmus, schwerelos und wunderbar.
»Du hast unglaubliche Bewegungen«, sagte er später, als wir in schwebender Ruhe nebeneinander lagen. »Wie du den Bauch bewegst, meine ich.«
Ich rekelte mich, roch den Geruch seiner Haut.
»Das habe ich geübt.«
»Mit anderen Männern?«
Diese Eifersucht kam für mich unerwartet. Ich lachte.
»Manchmal auch an der Stange. Ich habe eine klassische Ausbildung, dafür hat meine Mutter gesorgt.«
Er streichelte meine Brüste. Sie waren klein, straff und rund geformt, wie Kelche. Die Spitzen waren von Natur aus sehr rot.
Sobald ich nackt tanzte, starrten alle Zuschauer auf meine Brü-
ste, das wußte ich genau.
»Ist sie auch Tänzerin?«
»Sie heißt Lea Cohen. Sie war mal berühmt. Jetzt ist sie über siebzig und Archivarin im Tanzmuseum.«
Er setzte sich auf und strich über meinen Bauch. Unsere Körper waren heiß und klebrig, aber wir hatten beide keine Lust, uns zu waschen.
»Dann willst du also, daß ich Musik für dich mache.«
»Improvisieren, ja. Das gefällt mir.«
»Meinst du, daß ich es bei dir aushalte?«
Seine Hand wanderte über meinen Schoß, schob sich behutsam zwischen meine Schenkel. Ich hob leicht das Gesäß, um ihm das Eindringen zu erleichtern.
»Wenn du dich anpaßt.«
Ich legte meine Hand auf die seine, lenkte sie zwischen meinen Schenkeln auf und nieder, zuerst sehr entspannt, dann schneller und genau dort, wo ich es haben wollte. Seine Finger träumten in mir, phantasierten in heimlichem Fieber. Heiße pulsierende Flämmchen flackerten in meinem Rückenmark. Ich streckte mich flach auf der Matratze aus, bewegte das Becken wie einen langsamen Kreisel. Pierre beugte sich über mich, vor Schweiß glänzend. Sein Schatten bedeckte mich ganz. Die Hitze, die von ihm ausging, hüllte mich ein.
»Ich sehe schon, du willst dominieren.«
Sein Gesicht kam näher zu mir herunter. Träge betrachtete ich seine Augen, langbewimpert und wie poliert, die breite Stirn, den Nasenbogen. Die Kerbe an der Oberlippe leuchtete weiß im Nachtlicht. Ich hob die Arme, hing mein Gesicht an seine Schultern. Er ließ sich ein ganzes Stück ziehen, tiefer hinab und tiefer. Mein Mund wanderte über seinen Hals, trocknete seine feuchten Lippen, fand die Narbe, zögerte zwischen Biß und Kuß.
»Du mußt dich gut dabei fühlen«, flüsterte ich. »Sonst hat es keinen Sinn, daß du bleibst.«
2. Kapitel
N ach der »Entpuppung« hatte ich eine neue Choreographie geschaffen: »Die Verwandlung.« Sie stand mit der ersten in logischer Folge. Im Februar war ich im »Théâtre de Poche« für fünf Vorstellungen verpflichtet. Clarissa Monnier, die Leiterin, setzte meine Inszenierungen jedes Jahr auf den Spielplan. Ihr ging es um weltanschauliche Fragen und um Feminismus. Es war ihr besonderes Talent, diesen in den mehr oder weniger individuellen Geschichten, welche Choreographen zu Bühnen-ereignissen formen, aufzuspüren und aus ihnen hervorscheinen zu lassen. Die Phantasie, bei all ihrer Magie, ist ein zerbrechliches Ding. Ich sortierte die Elemente sehr sorgfältig. Mein Kostüm bestand aus einem schwarzen, hochgeschlossenen Rüschenkleid. Dazu gehörten lange Handschuhe und ein echtes Korsett, das ich auf dem
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