Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
Tatort kontaminierten. Brandort , korrigierte er sich. Bislang deutete nichts auf einen Tatort hin.
Vorsichtig duckte er den Kopf unter dem Türsturz durch, der nun von einem inneren Metallrahmen gestützt wurde, und spürte, wie die Hitze durch seine Schuhsohlen kroch. Selbst Anderson mit seinem Laienblick bemerkte, dass sich die Decke wie eine Hängematte durchwölbte.
Einer der Feuerwehrleute klopfte die Wand nicht gerade zimperlich mit einem Hammer ab. »Ist das wohl eine tragende?«, rief er und richtete den Blick auf einen Riss im Putz, der sich über die ganze Oberfläche spannte.
»Hau noch ein bisschen fester drauf, dann wissen wir es gleich«, antwortete irgendein Klugscheißer durch den Rauch.
Sie standen im Erdgeschoss eines vierstöckigen Hauses, und Anderson wurde flau im Magen.
Jemand reichte ihm einen Schutzhelm.
Großartig.
Schaudernd ließ er den Blick durch den Raum schweifen, als Woodford laut brüllte und der Generator ausgeschaltet wurde. Auch das Gehämmer hörte auf, und plötzlich herrschte Stille, abgesehen von den knackenden, seufzenden Wänden, in denen die Spannungen nach der intensiven Hitze wieder nachließen. Anderson rührte sich nicht, weil er glaubte, jemand lausche nach Lebenszeichen, aber dann stellte sich heraus, dass der Feuerwehrhauptmann nur einen Anruf entgegennehmen wollte.
Anderson warf einen weiteren Blick in die Küche. Durch das Feuer, das hier gewütet hatte, war alles verbrannt und verkohlt, verzogen und gebogen. Das Linoleum war geschrumpelt und schwamm auf kleinen Wasserlachen. Irgendwo zischte es immer noch. Und trotz der Zerstörung war der Raum eindeutig als Küche zu erkennen. Vor zwei Stunden noch hatte sich hier jemand gemütlich sein Frühstück zubereitet. Anderson fiel auf, dass sich der Kühlschrank – im Übrigen das gleiche Modell wie sein eigener – in der Hitze aufgewölbt hatte. Vom Herd, dem Zentrum des Feuers, war nur ein dunkles Gewirr von Metall geblieben, in dem stur noch einige Flecken Chrom glänzten.
Ein Feuerwehrmann mit einer Videokamera nickte DI Anderson zu und bat stillschweigend um Erlaubnis weiterzufilmen. Anderson gab ihm mit erhobenem Daumen sein Einverständnis, drückte sich den Helm fest auf das blonde Haar und versuchte, die Hitze zu ignorieren, die er am Hals und im Gesicht spürte. Er wusste, ein Brandermittler konnte hier noch Dinge erkennen, die dem durchschnittlichen Kriminaltechniker entgingen; und deshalb überließ man die Sache am besten dem Experten. Die Kamera surrte, und der Brandermittler beschwerte sich über das miserable Licht. Anderson reizte der Rauch wieder im Hals, und er hustete heftig. Für kein Geld der Welt hätte er Feuerwehrmann werden wollen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Woodford und reichte ihm die Hand. »Zum Grillen sind Sie ein bisschen zu spät gekommen.«
Anderson lächelte schief und verließ die Wohnung mit geballten Fäusten und verschränkten Armen; zu leicht vergaß man die Hitze und verbrannte sich die Finger, wenn man irgendetwas anfasste. Die Sohlen seiner Schuhe beschwerten sich lautstark; draußen würde er sich in eine Pfütze stellen. Wieder hustete er, richtig schwer diesmal, trocken aus der Lunge heraus. Und dann erbrach er sich.
»Ja«, fauchte Detective Chief Inspector Rebecca Quinn in den Hörer. Der schrille Rufton hatte sie innerlich zusammenfahren lassen. Zweimal hatte sie schon um ein anderes Telefon gebeten, doch genauso gut hätte sie beantragen können, zur nächsten Königin von England gekrönt zu werden. »Ja?«, wiederholte sie, aber wer auch immer am anderen Ende der Leitung war, beachtete sie nicht und sagte lediglich zu einem unbekannten Dritten: »Ein bisschen weiter links, ein bisschen weiter links.«
»Wyngate!«, schrie sie. Die Nummer auf dem Display stammte vom Empfang, und da schoben nur zwei Leute Dienst – Costello und Wyngate. Letzterem hatten die Kollegen, gemeinerweise und doch treffend, wegen seiner abstehenden Ohren den Spitznamen Windrad verpasst. Wenigstens konnte sie sich sein Gesicht vorstellen. DC Gordon Wyngate? Der magere Computerfreak, ein cleverer Kerl ohne jeden gesunden Menschenverstand.
»Ja, Ma’am. Wyngate vom Empfang, Ma’am.«
»Ich weiß. Was gibt es denn?«
»Ich sollte Bescheid sagen, wenn sich noch jemand krankmeldet. Na, DC Burns hat gerade angerufen«, sagte Wyngate und fügte hinzu: »Er hat diese Halsgeschichte.«
Burns? Burns? Sie ging den Karteikasten in ihrem Kopf durch. Burns? Der große Typ, der immer
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