Sein mit Leib und Seele - Band 04
kommen. Er erklärt mir fix alles und ich stimme ihm bei allem zu, während ich versuche, es mir zu merken. Die Kasse, die Cocktailgläser, die Schnapsgläser, der Umkleideraum ... Um 15 Uhr beschließt er, dass ich für die Bar bereit bin und setzt sich in den Speisesaal, um - so meint er - zu sehen, wie ich mich schlage. Es ist nur ein einziger Gast da, der schon seit meiner Ankunft an ein und demselben gelblichen Getränk nippt. Ohne Zweifel ein Stammgast. Mangels Gästen fang ich an, die Gläser aus der Geschirrspülmaschine zu polieren, so wie ich es schon häufiger in Filmen gesehen habe. Für den Moment scheint das alles noch nicht so kompliziert.
„Kleine!“
Mein erster Einsatz! Der Typ an der Bar hat sein Glas ausgetrunken. Leider habe ich keine Ahnung, was er möchte.
„Ja bitte?“
„Noch mal das Gleiche.“
„Was ... was hatten Sie denn?“
„Einen Suze.“
„Okay, kein Problem.“
Ein Suze also. Ich drehe mich verzweifelt zu der mit Flaschen bestückten Wand um, die ich schon seit einer Stunde immer wieder betrachtet hatte. Martini, Fernet-Branca, Cognac, Whisky … Ein Suze, ist das ein einfaches Getränk? Plötzlich spüre ich eine Präsenz hinter mir. Einen warmen, sogar feuchten Körper. Und eine Erektion.
„Hier ist er, dein Suze.“
Es ist Michel. Er ist mir zur Hilfe geeilt. Ich bedanke mich verlegen bei ihm. Er lässt sich nichts anmerken, er möchte mir ohne Zweifel zu verstehen geben, dass nichts vorgefallen ist. Soll mir recht sein. Ich fange wieder an, die Gläser zu polieren. Diese Arbeit fängt an, mir Spaß zu machen. Ich könnte, so scheint es, Stunden damit verbringen, vor mich hinzuträumen und dabei Gläser zu polieren. Wenn mir Michel nicht ständig im Nacken sitzt, könnte ich mir sogar vorstellen, ein bisschen mit meiner Diplomarbeit voranzukommen ...
„Gut, es ist jetzt 17 Uhr. Du bleibst bis 19 Uhr hier, um dich mit den Getränken vertraut zu machen, danach kannst du nach Hause gehen und ich erwarte dich dann später um 22 Uhr wieder hier, ist dir das recht?“
„Ja, klar.“
Ich habe eigentlich wenig Lust, erst nach Hause zu gehen und dann um 22 Uhr wieder zurückzukommen, aber der Zufall spielt mir in die Hände. Es ist nicht weit bis zu Mathieus Wohnung. Vielleicht ist Manon bei ihm und wir können den Abend zusammen verbringen. Ich rufe sie an, nicht wenig stolz darauf, dass ich so schnell einen Job gefunden habe. Man kann Mathieus Bewunderung an seiner Stimme erkennen.
"Das ist ja toll! Was für einen Job hast du denn nun? Ackerst du in einem Buchladen, in einem Konzerthaus?“
„Ich bin Kellnerin!“
„Ach was! Dann halt gleich mal zwei Bier bereit, wir kommen!“
„Geht klar!“
„Wo bist du?“
„Es heißt
Eden
, in der rue des Martyrs.“
„Sehr witzig!“
„...“
„Sag schnell, ich hab nicht mehr viel Akku. Wo bist du?“
„Mensch, im
Eden
, wie ich schon gesagt habe ...“
„Das heißt, das war kein Witz?“
„Nein ...“
„Bleib, wo du bist, wir kommen!“
Ich habe noch nicht mal mehr Zeit, ihnen zu sagen, dass ich erst in zwei Stunden freihabe. Pech gehabt, dann müssen sie sich halt noch irgendwie die Zeit vertrödeln, während sie auf mich warten.
Ich hatte mich nicht geirrt, ich befand mich ganz in der Nähe von Mathieus Zuhause. Meine Freunde schneien nicht mal fünf Minuten, nachdem ich aufgelegt hatte, rein.
„Hol deine Sachen, wir gehen!“
Manon wirkt sehr entschlossen. Wie eine Mutter, die ihre angetrunkene Tochter frühzeitig von einer Schulparty abholt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich starre sie nur mit großen Augen an. Mathieu wirkt ausgelassen fröhlich. Er schaut sich überall um, wie ein kleines Kind in Disneyland. Sie sieht verdammt wütend aus, ich muss ihr wohl nach draußen folgen, um eine Szene an meinem Arbeitsplatz zu verhindern. Ich werfe einen Blick zu Michel hinüber, den es scheinbar wenig kümmert, ob ich an meinem Arbeitsplatz bleibe oder nicht. Ich schnapp mir meine Handtasche und lass mich von Manon raus auf den Gehweg ziehen.
„Ich muss mich erst mal bei dir bedanken, Emma. Ich hab mich schon immer gefragt, was sich hinter den Türen des
Eden
verbirgt. Ich bin zwar ein wenig enttäuscht, aber das war trotzdem ein großer Moment für mich!“
„Mathieu, reiß dich bitte zusammen! Aber was ist nur in dich gefahren, Emma? Bist du schon so verzweifelt, dass du in einer Rotlichtkneipe endest?“
„Eine Rotlicht...?“
Plötzlich wird mir das Offensichtliche klar. Die
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