Seine junge Geliebte
es zu den Blüten und hielt den Strauß auf Armeslänge ab, damit Bärbel ihn aus einiger Entfernung betrachten konnte.
»So sind sie wunderschön!« Sie wartete, bis die Floristin den Strauß gebunden und eingewickelt hatte, bezahlte und verließ das Geschäft.
Ihr kleiner Wagen stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie bestieg ihn und fuhr in Richtung Bergmann-Klinik davon.
Sie hatte ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken, daß Peter ins Krankenhaus gegangen war. Irgendwie hatte sie das Gefühl, daß er ihr etwas verheimlichte, weil sich alles so rasch abgespielt hatte. Dann durchfuhr sie ein Schrecken. Vielleicht litt er an einer Krebsgeschwulst? Sie wußte von ihren Berichten, daß man dann immer sehr rasch ins Krankenhaus mußte, weil man die unter Umständen lebensrettende Operation nicht zu lange hinauszögern konnte. Je mehr sie sich mit dem Gedanken beschäftigte, desto größer wurde ihre Gewißheit, daß Peter an einer bösartigen Geschwulst erkrankt sein mußte, und daß er ihr nicht die Wahrheit sagen wollte. Er tat ihr leid. Sie bedauerte es schon, daß sie sich nicht doch für rote Rosen entschieden hatte. Sie wußte, daß sie ihm damit eine große Freude bereitet haben würde. Aber dann verwarf sie den Gedanken. Warum sollte sie ihm eine Hoffnung machen, die sich nie erfüllen würde? Es war schon besser, daß sie die Amaryllisblüten gewählt hatte.
Immer wieder mußte sie halten. Der Geschäftsverkehr hatte eingesetzt. Sie kam nur langsam vorwärts. Es dauerte lange, bis endlich am Ende der Straße das rote Backsteingebäude der Klinik auftauchte.
Sie fuhr auf den Parkplatz, stieg aus und überquerte die Straße. Fragend wandte sie sich an den Pförtner: »Ich möchte Herrn Sartorius besuchen. Können Sie mir sagen, wo er liegt?«
»Selbstverständlich, Fräulein!« Die Blicke des alten Mannes glitten wohlgefällig über Bärbels Gestalt. »Einen Augenblick. Ich muß nachsehen!« Er ging in seine Loge und blätterte in einem Buch. »In der Chirurgischen Klinik – bei Herrn Dr. Bruckner. Dort drüben –«, er griff nach ihrem Arm, ging mit ihr über die Einfahrtsstraße und zeigte auf den Eingang zur Chirurgischen Klinik, »müssen Sie hineingehen. Sie nehmen den Fahrstuhl bis zum dritten Stock. Dann wird man Ihnen weiterhelfen.«
»Vielen Dank!« Bärbel nickte dem Pförtner zu und stieg die drei Stufen empor. Suchend ging sie den Korridor entlang, blieb vor dem Fahrstuhl stehen und trat ein. Der Lift brachte sie in den dritten Stock. Der lange Flur war leer. Es roch merkwürdig – nicht unangenehm –, aber doch seltsam. Sie schluckte ein paarmal. Sie hatte Krankenhäuser nie gemocht. Suchend ging sie den Flur entlang, blieb schließlich vor einem Zimmer stehen, das die Aufschrift Dienstzimmer trug. Hier würde sie sicherlich das erfahren, was sie wissen wollte.
Sie klopfte an. Eine weibliche Stimme sagte »herein«. Sie trat ein. Eine junge Schwester saß am Schreibtisch.
»Sie wünschen?«
»Ich möchte Herrn Sartorius besuchen. Er ist heute eingeliefert worden.«
»Wenn Sie einen Augenblick Platz nehmen wollen.« Die junge Schwester war aufgestanden und deutete auf einen Sessel, der in einer Ecke stand. »Schwester Angelika macht mit dem Stationsarzt gerade Visite. Sie müssen jeden Augenblick zurück sein. Ich vertrete hier nur. Deswegen kann ich Ihnen nichts sagen.«
Sie setzte sich wieder. Bärbel Linke nahm in dem Sessel Platz und nahm sich vor, den Stationsarzt um nähere Auskunft zu bitten. Vielleicht konnte er ihr etwas Genaueres über Peters Krankheit sagen. Sie fürchtete, daß er selbst es nie verraten würde …
»Herr Sartorius ist inzwischen eingetroffen.« Schwester Angelika öffnete die Tür. »Soll er heute Abend noch etwas bekommen?«
Dr. Heidmann begrüßte den Patienten, der in einem Sessel gesessen und gelesen hatte.
»Was soll ich bekommen?« fragte er Dr. Heidmann. »Ich brauche nichts.«
»Ich werde Ihnen für heute nacht ein Beruhigungsmittel geben. Es ist besser. Jeder Patient, der zum erstenmal in eine Klinik kommt, ist naturgemäß aufgeregt. Und wir haben es nicht gern, wenn unsere Patienten eine schlaflose Nacht verbringen. Dann sind sie morgen früh nicht ausgeruht; außerdem wird Oberarzt Dr. Bruckner Sie in örtlicher Betäubung operieren.«
»In örtlicher Betäubung?« Durch die Stimme des Patienten klang Erschrecken. »Können Sie mir denn keine Vollnarkose geben? Es ist doch abscheulich, wenn man an meinem Gesicht
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