Vierter Stock Herbsthaus (German Edition)
Einleitung
Das Buch, das Sie gerade lesen, hat eine Vorgeschichte. Bevor es losgeht, möchte ich Ihnen diese erzählen. Falls Sie keine Vorgeschichten mögen, dann lesen Sie doch einfach beim Kapitel „Nachtwache“ weiter.
Noch da? Okay, dann los. Vor rund einem Jahr – der Tag, an dem ich diese Einleitung in meinen alten IBM tippe, ist der 19. Oktober 2013 – erschien mein erstes Buch: „S3, Spuk in der Bibliothek“. S3 war kein Roman sondern eine Dokumentation unerklärlicher Phänomene in einem bestimmten Trakt der Universitätsbibliothek, in der ich 2006 bis 2008 an meiner Doktorarbeit schrieb. Ich unterhielt mich mit mehreren Studenten sowie mit Mitarbeitern der Bibliothek, erfragte deren Erlebnisse im S3-Trakt. Und dann – die Sache ließ mich nicht mehr los – verbrachte ich selbst einige Nächte auf S3. Was mir in der letzten Nacht auf S3 passierte, das kann ich bis heute nicht erklären.
Eigentlich wollte ich die S3-Sache auf sich beruhen lassen, alles in irgendeine Schublade packen, unter Papier vergraben und vergessen. Aber bei ein paar abendlichen Bier erzählte ich einer Bekannten von S3 und sie war der Ansicht, ich solle meine Aufzeichnungen und Gesprächsprotokolle zu einem Buch zusammenfassen und veröffentlichen. Ich zögerte, wollte nicht so recht. Aber meine Bekannte ließ nicht locker und ich gehorchte. Oktober 2012 erschien S3 als Taschenbuch und als E-Book.
Ich erwartete damals nicht, dass sich jemand für mein kleines Büchlein – ich untertreibe, das Ding hat immerhin über 200 Seiten – interessieren würde. Umso erfreuter war ich, als S3 gekauft wurde und die ersten Rückmeldungen kamen. Diese lassen sich grob in vier Kategorien teilen:
1. Überschwängliches Lob: Wow, das ist das Gruseligste, dass ich je gelesen habe ... Ich habe das Buch an einem Stück durchgelesen ... das war so unheimlich, dass ich nachts nicht mehr aufs Klo konnte ... echt gut geschrieben, Sie sollten noch viele weitere Bücher schreiben.
2. Abgeschwächtes Lob und konstruktive Kritik: Hat mir gefallen, aber Sie hätten sich wirklich mehr Gedanken über die Ursachen der Phänomene auf S3 machen müssen ... spannend aber die „ähms” in den Interviews nerven ... gutes Buch, aber auf Seite Soundso habe ich folgenden Rechtschreibfehler gefunden: ...
3. Verrisse und Beschimpfungen: Das ist der größte Scheißdreck, den ich je gelesen habe ... was soll denn das bitte sein? … ich bin fast gestorben vor Langeweile, meine Frau musste den Rettungswagen rufen … hören Sie sofort mit dem Schreiben auf! Ich warne Sie! Ich weiß, wo ihr Auto steht ...
Zum Glück überwogen die Rückmeldungen der ersten und zweiten Kategorie deutlich, sonst hätte ich das mit dem Schreiben wohl wirklich gelassen.
Mai 2013 erschien mein zweites Buch, ein Roman namens „Die Knochenfrau”, der zwar auf einer Schwarzwälder Sage beruht, im Gegensatz zu S3 aber Fiktion ist, Produkt meiner manchmal recht lebhaften Phantasie. Ich hatte diese Sage von einem kinder-mordenden Wesen als Jugendlicher gehört und sie ist mir im Gedächtnis geblieben.
Zwar verkaufte sich „Die Knochenfrau“ sehr ordentlich, schaffte es sogar bis auf Platz 3 der Amazon-Horror-Charts, S3 aber löste mehr Leserreaktionen aus. „Die Knochenfrau“ wurde einfach als Unterhaltung gelesen, S3 aber beschäftigte diejenigen, die sich auf das Buch einließen und die darin geschilderten Vorfälle nicht einfach als Blödsinn abtaten.
Die Aufmerksamen unter den Lesern haben es bestimmt gemerkt: Weiter oben habe ich vier Kategorien versprochen, aber nur drei genannt. Auf die vierte Kategorie muss ich ein wenig genauer und ernsthafter eingehen, schließlich entstand das Buch, das Sie gerade lesen, aus solch einer Rückmeldung.
Nicht wenige, die S3 lasen, fühlten sich in gewisser Weise „verstanden”. Viele, die mir schrieben, hatten im Laufe ihres Lebens selbst unheimliche bzw. unerklärliche Erlebnisse. Einige waren glücklich darüber, in mir einen „Leidensgenossen” gefunden zu haben und berichteten mir mehr oder weniger ausführlich von ihren eigenen Erfahrungen. Ein Bekannter, dem ich davon erzählte, reagierte mit: „Das sind doch alles Spinner. Am besten ignorieren.”
Ich empfinde diese Haltung – obwohl ich diesen Bekannten ansonsten sehr schätze – als arrogant und außerdem furchtbar langweilig. Natürlich bekam ich es mit Spinnern zu tun, mit Leuten, die in ihrer Sprache, ihrem Gebaren und in dem, was sie sagten, extrem verschroben
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