Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
kann dir gar nicht genug für deine Hilfe danken! Ich weiß noch nicht, ob ich den Kollegen die Wahrheit darüber sage, wie wir auf den Namen gekommen sind. Aber ohne die Suggestion hätten wir es nicht geschafft.«
»Sag ihnen nichts«, riet Falko. »Sonst wirst du künftig schief angeguckt. Wenn du sagst, dass es dir wieder eingefallen ist, reicht das völlig. Nicht jede echte Information ist hilfreich.«
»Ich rufe kurz in Lüneburg an, um mein Team zu informieren.« Falko wählte die Nummer. Schon nach dem zweiten Klingeln ging Timo ans Telefon. Cornelsen berichtete ihm, dass Harald Kunst den Entführer auf einem Phantombild als Markus Schmelcher, Inhaber einer großen Gartenbaufirma in Düsseldorf, identifiziert hatte.
»Die Kollegen hier prüfen, welche Grund- und Gebäudeflächen auf Schmelcher selbst oder dessen Unternehmen eingetragen sind. Dann legen wir los. Ihr könnt in Lüneburg jetzt nichts mehr tun.«
»Ich kann ja nur für mich sprechen, aber ich würde lieber hier warten, bis du Bescheid gibst, dass ihr den Kerl habt.«
»Verstehe ich gut. Doch warten kannst du auch zu Hause. Ich melde mich sofort, wenn wir ihn haben.«
»Na ja, du bist der Boss.« Timo atmete geräuschvoll aus.
23
Dienstag, 13 . August, 19 . 50 Uhr
Kerstin erschrak, als sie sein mit Blut überzogenes Gesicht vor ihrer Zelle sah. »Was ist geschehen?«
»Der Zyklus muss beendet werden. Dann können wir frei sein.«
Ihr Pulsschlag beschleunigte sich. Instinktiv drückte sie ihren Sohn an sich. Die ganze Ausstrahlung ihres Peinigers hatte sich verändert, ebenso seine Sprache. Er klang plötzlich so … so der Welt entrückt. Ein ungutes Gefühl legte sich über ihren ganzen Körper.
»Ich verstehe nicht ganz, was du damit meinst«, antwortete sie zögerlich.
»Der dienstbare Geist ist beauftragt, seine Schuldigkeit bei der Menschheit zu erfüllen. Die Zeit in der Sanduhr verrinnt, nimmt Korn für Korn ein Stückchen von uns mit in die Ewigkeit. Wer seine Aufgabe nicht erfüllt, wird die Freiheit nicht erlangen.«
Kerstin überlegte fieberhaft, was sie hierauf antworten sollte. Was wollte er hören?
»Aber du hast deine Aufgabe erfüllt. Du kannst deine Freiheit erlangen und deinen Frieden finden.«
Langsam schüttelte er den Kopf, wirkte traurig auf sie. »Ich muss sicher sein, dass nur die Perfekte, die Reine, die Beschützende das Kind säugt und begleitet durch die Stürme der Welt.«
Kerstin spürte, dass er sich in Rage redete. Er drehte immer mehr durch. Was sollte sie nur tun?
Er steckte den Schlüssel ins Schloss. »Es ist Zeit.«
»Wofür?« Sie drückte ihren Sohn noch fester an sich.
»Die anderen sind bereits vorausgegangen. Heute ist der letzte Tag. Ich werde euch die Freiheit schenken, das Leben. Luzifer muss gezwungen werden, seinen Platz im Himmelreich aufzugeben.«
»Wo bringst du mich hin?« Erst jetzt bemerkte sie, dass er ihr fest in die Augen sah. Kein nervöses Umherrollen, keine lange überlegten Antworten. Sie war sich jetzt sicher, was er meinte. Er würde keiner von ihnen die Freiheit schenken, er würde sie töten. Eine nach der anderen.
»Wo ich dich hinbringe? Na, ins Wohnzimmer. Wir werden schon erwartet.« Es klang freundlich, losgelöst.
Kerstin schloss einen kurzen Moment ihre Augen. »Was geschieht mit meinem Sohn?«
»Ein Kind gehört zur Mutter«, sagte er sofort.
Sie blickte auf den Säugling herab, der zufrieden schlafend in ihrem Arm lag. Eine Träne löste sich aus ihrem Auge und tropfte auf die Decke herab, in die der Kleine gewickelt war.
»Und nun komm.« Wieder klang es sanft.
Kerstin erhob sich mit zitternden Beinen. Wenn sie ihren Sohn nun auf der Pritsche liegen ließe und ihren Entführer angreifen würde, vielleicht hätte sie die Kraft, ihn zu überwältigen. Kurz zögerte sie, küsste abermals ihren Sohn. Doch wenn sie scheiterte und er den Kleinen vor ihr erreichte? Der Kleine gluckste zufrieden, und damit war die Entscheidung seiner Mutter gefällt. Sie konnte ihn nicht aus ihren Armen geben. Nicht, solange das Blut in ihr noch pulsierte.
Als sie in das Videozimmer trat, sah Kerstin, dass Lena bereits gefesselt auf einem Stuhl saß, vor dem die Kamera aufgebaut war. Sie war voll bekleidet, der Sessel neben ihr war frei.
»Ihr dürft euch begrüßen. Bitte, sprecht miteinander. Wir gehen der Freiheit entgegen.« Es klang freundlich.
Kerstin ging mit ihrem Sohn im Arm zu ihr hinüber, setzte sich in den Sessel. Er wollte sie gerade fesseln, als
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