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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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peinliches Schweigen. Er räusperte sich. »Es wird mit Frau Salger schwierig werden, Herr Selb, ich wollt’s nur sagen. Auf Wiedersehen.«

32
Zu spät
    Ich war zu stolz, Nägelsbach um eine Erläuterung seiner Bemerkung zu bitten. Außerdem konnte ich mir die Leo, die ich im Fernsehen gesehen hatte, durchaus erschöpft, verwirrt, vielleicht sogar verbittert und aggressiv vorstellen.
    Am nächsten Morgen brachte ich die Wohnung in Ordnung, legte den kalifornischen Champagner ins Eis, den ich vor Jahren als dritten Preis beim Seniorensurfen gewonnen habe, duschte heiß und kalt, verbrachte zwanzig Minuten vor dem Kleiderschrank, bis es bei einem messingfarbenen Anzug, einem hellblauen Hemd und der Krawatte mit den kleinen Wölkchen blieb. »Führst du dich nicht auf wie ein verliebter Pennäler?« höhnte die innere Stimme auf der Fahrt nach Heidelberg. Als ich mich an der Gefängnispforte gemeldet und dem kurz angebundenen Bleckmeier die Karte übergeben hatte, war mir aus vielen Gründen mulmig.
    Sie hatte das karierte Hemd an, wie nach ihrer Verhaftung im Fernsehen. Aber sie hatte es gewaschen, hatte die Übernächtigung weggeschlafen, und die braunen Locken fielen ihr wieder voll und weich auf die Schultern. Sie sah mich, winkte, lachte und breitete die Arme aus. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Was sollte hier schon schwierig werden!
    »Ist das alles?« Sie hatte eine Plastiktüte dabei.
    »Ja, alle meine Sachen sind verlorengegangen, irgendwann und irgendwie, die letzten bei der Festnahme. Dein Freund, der Kommissar, hat mir ein bißchen was gebracht, sogar ein Eau de toilette. Schau!« Sie ging zum Tisch und breitete ihre Habe aus. Sie schob die paar Sachen hin und her, als gelte es, eine bestimmte, allerdings erst zu entdeckende Ordnung zu realisieren. Das Eau de toilette gehörte in die Mitte, die anderen Toilettenartikel auf eine Kreisbahn darum herum, aber für das Taschentuch, den Schreibblock und den Kugelschreiber fand sich kein Platz.
    Der Gefängnisbeamte, der hinter einer Glasscheibe die Knöpfe für die Pforte bediente, sah herüber. »Was gibt das?«
    »Sofort.« Sie machte einen weiteren Versuch. »Nein, es will nicht.« Sie hielt die Plastiktüte auf und fegte ihre Sachen hinein. »Gerd, ich würde gerne ein bißchen rausfahren und rumlaufen, geht das? Der Heiligenberg hat mir die ganzen Tage in die Zelle geguckt.«
    Wir fuhren zum Mönchhofplatz, stiegen den Mönchberg hinauf und in weiten Serpentinen zur Michaels-Basilika. Es war fast wie beim Aufstieg zur Wegeinburg, Leo war oft voraus, und wenn sie rannte, flog ihr Haar. Wir redeten kaum. Sie tobte sich aus, ich schaute ihr zu, und manchmal war die Erinnerung an die gemeinsame Reise so schmerzhaft, als gelte sie lang vergangenen Jugendtagen. Vor der ›Waldschenke‹ setzten wir uns unter den hohen, alten Bäumen an einen Gartentisch. Es war erst halb elf, und wir waren die einzigen Gäste.
    »Erzähl!«
    »Was?«
    »Wie es dir ergangen ist, seit du mich verlassen hast.«
    »Ich hab dich nicht verlassen. Hab ich dich verlassen? Ich kann dir die vierhundert Franken noch nicht wiedergeben. Ich hab sie nicht. Helmut hatte sie, und ich wollte sie dir schicken, aber Helmut fand, du hättest genug an uns verdient. Hast du an uns verdient? Helmut hat an mir verdienen wollen, und sein Freund hat auch an mir verdienen wollen. Das habe ich rausgefunden. Aber du …« Sie runzelte die Stirn und zeichnete mit dem Finger die Karos auf der Tischdecke nach.
    »Ohne Auftrag hätte ich dich nicht kennengelernt. Aber als wir zusammen gereist sind, hatte ich keinen Auftrag und bekam kein Geld. Wie bist du von Locarno zu Helmut gekommen?«
    »Ich hab ihn angerufen, und er ist gekommen. Dann sind wir den ganzen Stiefel runter, bis nach Sizilien und wieder rauf an die Riviera und rüber nach Spanien. Helmut hat überall geguckt. Er hat Geld beschaffen wollen, aber nicht können.« Sie redete, als berichte sie über zwei Fremde. Auf meine Fragen kamen karge Antworten. Ich trug zusammen, daß Helmut und Leo, nachdem sie das Geld, das er mitgebracht hatte, mit vollen Händen ausgegeben hatten, im Auto schliefen, die Zeche prellten, tankten, ohne zu bezahlen, und im Supermarkt klauten. »Dann wollte Helmut, daß ich … Es gab Touristen, auch andere, die scharf auf mich waren, und Helmut fand, ich soll nett zu ihnen sein. Ich hab das nicht gewollt.«
    »Warum hast du keine R-Gespräche angemeldet? Das war doch der Grund, daß du mich nicht mehr angerufen hast: Du

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