Selbs Betrug
ganze Zimmer in Flammen. Die Hitze trieb uns auf den Treppenabsatz. Hier blieb Peschkalek stehen und starrte gebannt in das flammende Zimmer. »Weg hier!« Aber er hörte mich nicht. Als er wie ein Schlafwandler auf die Tür und die Flammen zuschritt, stieß ich ihn die Treppe hinunter und hastete hinterher. Er stolperte, fing sich, stolperte wieder und überschlug sich.
Am Fuß der Treppe blieb er bewegungslos liegen.
31
Rawitz lachte
In den Häusern ringsum waren Lichter an- und Fenster aufgegangen. Die Leute lehnten heraus und riefen einander zu, was jeder sah: Es brennt. Noch vor der Feuerwehr war der Krankenwagen da und nahm den ohnmächtigen Peschkalek mit. Die Feuerwehr kam. Mit phantastischer Schnelligkeit zogen die Männer mit den blauen Uniformen, den putzigen Helmen und Beilchen am Koppel die Schläuche durch den Hausflur und eröffneten das Wasser. Viel war nicht mehr zu löschen.
Dann stocherte ich im heißen, nassen, schwarzen Matsch rum. Noch ehe mich der Feuerwehroffizier des Platzes verwies, sah ich, daß alles Suchen vergebens wäre. Da war nichts, was auch nur die entfernteste Ähnlichkeit mit einem Ordner oder einer Videokassette hatte.
Als die Polizei Zeugen notierte, stahl ich mich aus dem Hof. Ich wäre lieber in den ›Kleinen Rosengarten‹ oder nach Hause gegangen als zu Brigitte. Aber ich konnte sie nicht einfach warten lassen. Ich gab ihr eine geglättete und geschönte Version der Begegnung zwischen Peschkalek und mir. Sie gab sich damit zufrieden und ich mich damit, nicht zu erfahren, was es mit dem Kopf an Kopf auf sich hatte. Am späten Abend riefen wir in den Städtischen Krankenanstalten an, wo Peschkalek mit einer Gehirnerschütterung lag. Er hatte ein Bein und einen Arm gebrochen, aber sonst keinen Schaden davongetragen.
Dann lag ich im Bett und betrachtete die Trümmer meines Falls. Ich dachte an den Tod von Rolf Wendt, der in einer schicken Wohnung wohnen und sein eigenes Krankenhaus haben könnte, an Ingo Peschkalek, den kläglichen Mörder, und an Leos unstetes Leben zwischen Flucht und Gefängnis. Ich fürchtete, kein Auge zu schließen, und schlief doch wie in Abrahams Schoß. Im Traum mußte ich, von Flammen gejagt, steile Treppen hinunter- und Gänge entlangrennen. Aus dem Rennen wurde bald ein Schweben und Gleiten; ich sauste im Schneidersitz mit wehendem Nachthemd über die Treppen und durch die Gänge, ließ schließlich die Flammen weit hinter mir, bremste und landete sanft auf grüner Wiese zwischen bunten Blumen.
Der kürzeste Weg von Brigitte zu mir führt auf dem Steg über den Neckar zum Collini-Center, hinter dem Nationaltheater vorbei und über den Werderplatz. Morgens um sechs begegnet man keinem Menschen, nur die Goethestraße und die Augustaanlage sind schon einigermaßen befahren. Es hatte in der Nacht nicht abgekühlt, und der warme Morgen verhieß einen heißen Tag. In der Rathenaustraße kreuzte eine schwarze Katze meinen Weg. Ich konnte Glück brauchen.
Den Bericht für den alten Wendt schrieb ich, soweit ich ihn schreiben konnte. Dann ging ich das letzte Kapitel an.
Ich rief im Verteidigungsministerium an, wurde einige Male falsch und ein paar Male richtig weiterverbunden und hatte schließlich einen Beamten am Apparat, der mit den Giftgaslagern der beiden Weltkriege zu tun hatte. Er wolle nichts sagen und könne nichts sagen, aber natürlich seien sie an allem interessiert, das helfe, Gefahren abzuwehren und Schäden zu beseitigen. Viernheim? Kartenmaterial aus den Beständen zunächst der Wehrmacht und später des Verteidigungsministeriums? Eine Belohnung für die Herausgabe? Er wolle der Sache gerne nachgehen. Als ich ihm meine Telephonnummer nicht gab, gab er mir seine, die im Büro, die der Geschäftsstelle und die zu Hause.
Auch Nägelsbach wollte oder konnte nichts sagen. »Wie es Frau Salger geht? Das Vorverfahren läuft auf vollen Touren, und wir haben strikte Weisung, vorerst gar nichts nach draußen zu geben. Die Bereitschaft, ausgerechnet bei Ihnen eine Ausnahme zu machen, dürfte gering sein.« Der Ton war so spitz wie der Satz. Aber Nägelsbach war bereit, ein Treffen mit Franz von der Bundesanwaltschaft zu arrangieren.
So saß ich ihnen am Nachmittag in der Heidelberger Staatsanwaltschaft noch mal gegenüber: dem eleganten Franz, dem unvermeidlichen Rawitz und Bleckmeier mit seiner sozusagen unverdrossenen Verdrossenheit. Nägelsbach war dabei, hatte seinen Stuhl aber nicht an den Tisch gerückt, um den wir anderen saßen,
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