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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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vorzustellen?«
    Ostenteich fühlte sich berufen, die Gesprächsleitung zu übernehmen. »Das ist un peu délicat, würden die Franzosen sagen. Sie sollten das Gutachten von Professor Wenzel lesen, das die kompetentielle Problematik minutiös auffächert und die legislative Anmaßung von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz découvriert.
    Le pouvoir arrête le pouvoir – die bundesrechtliche Regelung des Immissionsschutzrechts blockiert solche landesrechtlichen Sonderwege. Dazu kommen Eigen-tumsfreiheit, Schutz der unternehmerischen Betätigung und der betrieblichen Intimsphäre. Darüber meinte der Gesetzgeber sich mit einem Federstrich hinwegsetzen zu können. Mais la vérité est en marche, es gibt noch, heureusement, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.«
    »Und wie funktioniert nun das neue Smogalarmmodell?« Auffordernd sah ich Oelmüller an.
    Ostenteich ließ sich die Gesprächsleitung so leicht nicht entwinden. »Gut, daß Sie auch nach dem Technischen fragen, Herr Selb. Das mag Ihnen unser Herr Oelmüller gleich explizieren. Der Kern, l’essence, unse-50
    res Problems: daß Staat und Wirtschaft nur in zuträgli-chem Neben- und Miteinander stehen, wenn zwischen beiden eine gewisse distance waltet. Und, erlauben Sie mir bitte dieses kühne Bild, hier hat der Staat sich ver-messen und der Wirtschaft ins décolleté gegriffen.« Er lachte kräftig, und Oelmüller schloß sich pflichtschul-dig an.
    Als wieder Ruhe eingekehrt war oder, wie der Franzose sagen würde, silence, sagte Oelmüller: »Technisch ist das Ganze kein Problem. Grundsätzlich wird im Umweltschutz so verfahren, daß die Emissionsträger Wasser oder Luft auf ihre Schadstoffkonzentration untersucht werden. Wenn die zulässigen Werte überschrit-ten sind, wird versucht, die Emissionsquelle zu ermit-teln und auszuschalten. Smog kann nun dadurch zu-stande kommen, daß der eine oder andere Betrieb mehr Emissionen rausläßt, als er darf. Andererseits gibt es auch dann Smog, wenn die Emissionen der einzelnen Betriebe im Rahmen des an sich Zulässigen bleiben, aber das Wetter damit nicht mehr fertig wird.«
    »Wie weiß der, der für den Smogalarm zuständig ist, um welche Art von Smog es sich handelt? Er muß doch wohl auf beide Arten ganz verschieden reagieren.« Die Sache fing an, mich zu fesseln, ich stellte den nächsten Gang zum Büfett zurück und fummelte eine Zigarette aus dem gelben Päckchen.
    »Richtig, Herr Selb, eigentlich müßte auf beide Arten verschieden reagiert werden, aber sie sind mit den herkömmlichen Methoden schwer auseinanderzuhalten.
    Passieren kann zum Beispiel, daß der Verkehr stillgelegt 51
    wird und die Betriebe ihre Produktion drosseln müssen, obwohl nur ein Kohlekraftwerk die zulässigen Emissionswerte drastisch überschreitet, aber nicht rechtzeitig identifiziert und gestoppt werden kann. Be-stechend am neuen Modell der direkten Emissionserfas-sung ist, daß, jedenfalls theoretisch, die auch von Ihnen zutreffend erkannten Probleme vermieden werden.
    Über Sensoren werden die Emissionen dort gemessen, wo sie entstehen, und an eine Zentrale gemeldet, die somit jederzeit weiß, wo welche Emissionen anfallen.
    Und nicht nur das, die Zentrale füttert die Emissionsdaten in eine Simulation der in den nächsten 24 Stunden zu erwartenden örtlichen Wetterlage, man spricht dabei von einem Meteorogramm, und kann den Smog gewissermaßen antizipieren. Ein Frühwarnsystem, das sich deswegen in der Praxis nicht so gut ausnimmt, wie es sich in der Theorie anhört, weil die Meteorologie einfach immer noch in den Kinderschuhen steckt.«
    »Wie sehen Sie den gestrigen Vorfall in diesem Zusammenhang? Hat sich das neue Modell bewährt oder hat es versagt?«
    »Funktioniert hat das Modell gestern schon.« Nachdenklich zwirbelte Oelmüller am Bartende.
    »Nein, nein, Herr Selb, hier muß ich die Perspektive des Technikers doch sogleich zum gesamtwirtschaftli-chen Tour d’horizon weiten. Früher wäre gestern einfach gar nichts passiert. Statt dessen hatten wir gestern das Chaos mit all den Lautsprecherdurchsagen, Polizei-kontrollen, Ausgangssperren. Und wofür? Die Wolke hat sich ohne Zutun der Umweltschützer verzogen. Da 52
    wurde Angst geschürt und Vertrauen zerstört und das Image der rcw beeinträchtigt – tant de bruit pour une omelette. Ich meine, daß dem Bundesverfassungsgericht gerade an diesem Fall das Unverhältnismäßige der neuen Regelung klargemacht werden kann.«
    »Unsere Chemiker überprüfen, ob die

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