Selbs Justiz
aber ich
wollte die Nostalgie, die uns beide gepackt hatte, noch ein wenig auskosten.
»Warum gelitten?«
»Mein Vater wollte mir das Schwimmen beibringen, hatte aber keine Geduld. Mein Gott, was habe ich Wasser geschluckt damals.«
Ich dankte ihr fürs Nachhausebringen. »Es war eine schöne Fahrt durch die Nacht.«
»Gute Nacht, Herr Selb.«
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Scheußliche Sache, das
Mit einem strahlenden Sonntag verabschiedete sich das schöne Wetter. Beim Picknick an der Feudenheimer Schleuse aßen und tranken mein Freund Eberhard und ich viel zuviel. Er hatte ein Holzkistchen mit drei Flaschen sehr ordentlichem Bordeaux dabei, und wir machten den Fehler, danach noch die rcw-Spätlese zu leeren.
Am Montag wachte ich mit flammendem Kopf-
schmerz auf. Dazu hatte mir der Regen das Rheuma in Rücken und Hüften getrieben. Vielleicht bin ich auch darum mit Schneider falsch umgegangen. Er war wieder aufgetaucht, nicht vom Werkschutz gefunden, sondern einfach so. Ich traf ihn im Labor eines Kollegen; sein eigenes war bei dem Unfall ausgebrannt.
Als ich in den Raum kam, richtete er sich vor dem Kühlschrank auf. Er war von hohem Wuchs, hager. Er lud mich mit unentschlossener Handbewegung ein, auf einem Laborschemel Platz zu nehmen, und blieb selbst mit hängenden Schultern vor dem Kühlschrank stehen.
Sein Gesicht war grau, die Finger der linken Hand gelb von Nikotin. Der makellos weiße Labormantel sollte den Verfall der Person verbergen. Aber der Mann war 61
am Ende. Wenn er ein Spieler war, dann einer, der verloren und keine Hoffnung mehr hatte. Einer, der freitags den Lottoschein ausfüllt, aber am Samstag gar nicht mehr schaut, ob er gewonnen hat.
»Ich weiß zwar, warum Sie mit mir reden wollen, Herr Selb, aber ich kann Ihnen nichts sagen.«
»Wo waren Sie am Tag des Unfalls? Das werden Sie ja wissen. Und wohin sind Sie verschwunden?«
»Ich bin leider nicht bei bester Gesundheit und war in den letzten Tagen unpäßlich. Der Unfall in meinem Labor hat mich sehr mitgenommen, es sind wichtige Forschungsunterlagen vernichtet worden.«
»Das ist doch keine Antwort auf meine Frage.«
»Was wollen Sie eigentlich von mir? Lassen Sie mich doch in Ruhe.«
In der Tat, was wollte ich eigentlich von ihm? In ihm den genialen Erpresser zu sehen fiel mir immer schwerer. Kaputt, wie er war, konnte ich ihn mir nicht einmal als Werkzeug eines Außenstehenden vorstellen. Aber meine Vorstellung hatte mich auch schon getäuscht, und irgend etwas stimmte nicht mit Schneider, und so viele Spuren hatte ich nicht. Sein und mein Pech, daß er in die Akten des Werkschutzes geraten war. Und da waren mein Kater und mein Rheuma und die schmollend weinerliche Art von Schneider, die mich nervte. Wenn ich den nicht mehr kleinkriege, kann ich meinen Beruf gleich an den Nagel hängen. Ich raffte mich zu einer neuen Attacke auf.
»Herr Schneider, hier laufen Ermittlungen wegen Sa-botagefällen, die Schäden in Millionenhöhe verursacht 62
haben, und es geht um die Abwehr weiterer Gefahren.
Ich bin bei meinen Ermittlungen durchweg auf Kooperation gestoßen. Ihre Unbilligkeit, mich zu unterstützen, macht Sie, ich bin ganz offen, verdächtig. Um so mehr, als es in Ihrer Biographie Phasen krimineller Verstrickung gibt.«
»Mit dem Spielen habe ich doch vor Jahren ein Ende gemacht.« Er zündete sich eine Zigarette an. Seine Hand zitterte. Er machte hastige Züge. »Aber bitte, ich lag zu Hause im Bett, und das Telefon stellen wir am Wochenende oft ab.«
»Aber Herr Schneider. Der Werkschutz war bei Ihnen zu Hause. In Ihrem Haus war niemand.«
»Sie glauben mir ja doch nicht. Da sage ich dann eben gar nichts mehr.«
Das hatte ich schon oft gehört. Manchmal half es, den anderen davon zu überzeugen, daß ich ihm glaube, was immer er sagt. Manchmal hatte ich verstanden, die tiefe Not, die in der kindlichen Reaktion steckt, so anzu-sprechen, daß aus dem anderen alles herausbrach. Heute war ich weder zum einen noch zum anderen fähig.
Ich mochte nicht mehr.
»Gut, dann müssen wir das Gespräch in Anwesenheit des Werkschutzes und Ihres Vorgesetzten fortsetzen. Ich würde Ihnen das gerne ersparen. Aber wenn ich von Ihnen bis heute abend nichts höre … Hier meine Karte.«
Ich wartete seine Reaktion nicht ab und ging raus.
Ich stand unter dem Vordach, blickte in den Regen und zündete mir eine Zigarette an. Ob es an den Ufern des Sweet Afton jetzt auch regnete? Ich wußte nicht weiter.
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Dann fiel mir ein, daß die Burschen vom
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