Selbs Justiz
armen
Frau und seinen zweifellos ekligen Kindern bei den Schwiegereltern gegeben hätte, wäre Gremlich jetzt damit gekommen. Statt dessen sagte er: »Es kann gar keinen Zeugen geben, der mich dort gesehen hat, weil ich dort nicht war.«
Ich hatte ihn, wo ich ihn haben wollte. Ich fühlte mich nicht fairer als gestern bei Fred, aber genauso gut.
»Richtig, Herr Gremlich, es gibt auch keinen Zeugen, der Sie dort gesehen hat. Aber ich habe jemanden, der sagen wird, daß er Sie dort gesehen hat. Und was meinen Sie, was dann passiert: Die Polizei hat einen Toten, eine Tat, einen Täter, einen Zeugen und ein Motiv. Da mag der Zeuge in der Gerichtsverhandlung schließlich zusammenbrechen, aber bis dahin sind Sie längst kaputt. Ich weiß nicht, was es für Bestechlichkeit heute 212
gibt, aber dazu kommen die Untersuchungshaft wegen Mord, die Suspendierung vom Dienst, die Schande für Frau und Kinder, die soziale Ächtung.«
Gremlich war blaß geworden. »Was soll das? Warum machen Sie das mit mir? Was habe ich Ihnen getan?«
»Es gefällt mir nicht, wie Sie sich haben kaufen lassen. Ich kann Sie nicht leiden. Außerdem möchte ich was von Ihnen wissen. Und wenn ich Sie nicht ruinie-ren soll, dann spielen Sie besser mein Spiel mit.«
»Was wollen Sie von mir?«
»Wann haben die rcw Sie erstmals kontaktiert? Wer hat Sie angeworben, und wer ist sozusagen Ihr Füh-rungsoffizier? Wieviel haben Sie von den rcw bekommen?«
Er erzählte alles, vom ersten Kontakt, den Thomas nach Mischkeys Tod mit ihm aufgenommen hatte, von den Verhandlungen über Leistung und Löhnung, von den Programmen, die er sich teils erst ausgedacht, teils schon verwirklicht hatte. Und er erzählte von dem Koffer mit den neuen Scheinen.
»Bescheuert ist nur, daß ich, statt meinen Kredit damit langsam zurückzuzahlen, ohne Verdacht zu erre-gen, gleich auf die Bank gegangen bin. Ich wollte Zin-sen sparen.« Er holte ein Taschentuch heraus, um sich den Schweiß abzuwischen, und ich fragte ihn, was er über Mischkeys Tod wisse.
»Soweit ich’s mitgekriegt habe, wollten die ihn unter Druck setzen, nachdem Sie ihn überführt hatten. Sie wollten die Kooperation, für die sie mich jetzt zahlen, umsonst haben und dafür die Sache mit Mischkeys 213
Einbrüchen ins System auf sich beruhen lassen. Als er tot war, waren sie damit eher unzufrieden, weil sie dann zahlen mußten. Eben mich.«
Er hätte noch ewig weitererzählen können, sich wahrscheinlich auch noch gerne gerechtfertigt. Ich hatte genug gehört.
»Danke, das genügt fürs erste, Herr Gremlich. An Ihrer Stelle würde ich unser Gespräch vertraulich be-handeln. Wenn die rcw erst mal wissen, daß ich weiß, werden Sie für das Werk wertlos. Falls Ihnen zu Mischkeys Unfall noch etwas einfällt, rufen Sie mich doch einfach an.« Ich gab ihm meine Karte.
»Ja, aber – ist Ihnen denn egal, was mit der Emissi-onskontrolle los ist? Oder gehen Sie trotzdem zur Polizei?«
Ich dachte an den Gestank, der mich so oft die Fenster schließen ließ. Und an das, was man nicht roch.
Trotzdem war es mir jetzt gleichgültig. Mischkeys Computerausdrucke, die auf Gremlichs Schreibtisch lagen, packte ich wieder ein. Als ich mich zum Gehen wandte, streckte mir Gremlich die Hand entgegen. Ich ergriff sie nicht.
214
19
Energie und Ausdauer
Am Nachmittag hätte ich meinen Termin mit dem Ballettmeister gehabt. Aber ich hatte keine Lust und sagte ab. Zu Hause legte ich mich ins Bett und wachte erst um fünf wieder auf. Ich mache fast nie einen Mittags-schlaf. Wegen meines niedrigen Blutdrucks fällt es mir schwer, danach wieder hochzukommen. Ich nahm eine heiße Dusche und machte starken Kaffee.
Als ich bei Philipp auf der Station anrief, sagte die Schwester: »Der Herr Doktor ist schon zu seinem neuen Boot gefahren.« Ich fuhr durch die Neckarstadt nach Luzenberg und parkte in der Gerwigstraße. Im Hafen ging ich an vielen Booten vorbei, bis ich Philipps fand.
Ich erkannte es am Namen. Es hieß Faun 69.
Ich verstehe nichts von der Schiffahrt. Philipp er-klärte mir, mit dem Boot könne er bis London fahren oder um Frankreich rum nach Rom, nur nicht zu weit von der Küste weg. Das Wasser langte für zehn Du-schen, der Eisschrank für vierzig Flaschen und das Bett für einen Philipp und zwei Frauen. Nachdem er mich rumgeführt hatte, schaltete er die Stereoanlage ein, legte Hans Albers auf und entkorkte eine Flasche Bordeaux.
215
»Kriege ich noch eine Probefahrt?«
»Immer mit der Ruhe, Gerd. Jetzt leeren
Weitere Kostenlose Bücher