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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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den alten Hanomag, einen Unimog und einen Citroën. Der fährt in der Tat sonst nicht bei uns rum. Im hinteren Teil des Hangars stand ein großer Arbeitstisch. Ich tastete mich hin. Zwischen Werkzeug lagen ein Schlüsselbund, eine Mütze und ein Päckchen Zigaretten. Ich steckte den Schlüsselbund ein.
    Nur der Citroën war fahrtüchtig. Am Hanomag fehlten die Scheiben, der Unimog war aufgebockt. Ich setzte mich in den Citroën und probierte die Schlüssel aus.
    Einer paßte, und als ich ihn umdrehte, leuchteten die Lämpchen auf. Am Lenkrad war altes Blut, und auch der Lappen auf dem Beifahrersitz war blutverschmiert.
    Ich steckte ihn ein. Als ich den Zündschlüssel abziehen wollte, berührte ich am Armaturenbrett einen Kipp-schalter. Hinter mir hörte ich einen Elektromotor sur-ren, durch den Seitenspiegel sah ich die Verladetüren aufgehen. Ich stieg aus und ging nach hinten.
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    Nicht nur ein blöder Schürzenjäger
    Diesmal erschrak ich nicht wieder so. Aber der Effekt war noch immer eindrucksvoll. Jetzt wußte ich, was auf der Brücke passiert war. Die hintere Front des Lieferwagens war von der aufgeklappten linken bis zur aufgeklappten rechten Türhälfte mit spiegelnder Folie bedeckt. Ein tödliches Triptychon. Die Folie war glattge-spannt, ohne Falten oder Verwerfungen, und ich sah mich darin wie am Samstag im Spiegel meines Treppenhauses. Als Mischkey auf die Brücke gefahren war, hatte da der Lieferwagen mit offener hinterer Front gestanden. Mischkey hatte vor den scheinbar plötzlich auf seiner Fahrspur entgegenkommenden Scheinwerfern das Steuer nach links gerissen und dann die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Mir fiel das Kreuz auf dem rechten Scheinwerfer von Mischkeys Wagen wieder ein.
    Das hatte nicht Mischkey angebracht, sondern der alte Schmalz, der daran in der Dunkelheit erkannt hatte, daß er die hinteren Türen auffahren mußte, weil sein Opfer kam.
    Ich hörte Schläge an die Tür des Hangars. »Aufmachen, Werkschutz!« Energie und Ausdauer mußten den Schein meiner Taschenlampe bemerkt haben. Der Han-223
    gar war anscheinend so ausschließlich von Schmalz ge-nutzt worden, daß der Werkschutz keinen Schlüssel hatte. Ich war froh, daß die beiden Nachwuchskräfte den Scheckkartentrick nicht kannten. Trotzdem saß ich in der Falle.
    Ich merkte mir noch das polizeiliche Kennzeichen und sah, daß die Schilder entstempelt und notdürftig mit Draht angebracht waren. Ich ließ den Motor an, während draußen noch energischer und ausdauernder ans Tor geschlagen wurde, und setzte den Wagen mit der ausgeklappten Spiegelfläche bis auf einen Meter an die Tür zurück. Dann griff ich mir vom Tisch einen langen, schweren Schraubenschlüssel. Einer meiner beiden Verfolger warf sich gegen die Tür.
    Ich preßte mich neben der Tür an die Wand. Jetzt brauchte ich viel Glück. Als ich mit dem nächsten Stoß gegen die Tür rechnete, drückte ich die Klinke runter.
    Die Tür sprang auf, mit ihr stürzte der erste Werkschützer in den Hangar und zu Boden. Der zweite stürmte mit erhobener Pistole nach und hielt erschreckt vor seinem Spiegelbild inne. Dem Schäferhund hatte man beigebracht, den Mann anzugreifen, der seinen Herrn mit erhobener Waffe bedroht, und er sprang durch die reißende Folie. Ich hörte ihn im Laderaum schmerzlich jaulen. Der erste Werkschutzmann lag benommen am Boden, der zweite begriff noch nicht, ich nutzte die Verwirrung, wischte aus dem Tor und spurtete Richtung Boot. Ich war über den Gleiskörper auf der Straße vielleicht zwanzig Meter vorangekom-men, da hörte ich, daß Energie und Ausdauer meine 224
    Verfolgung aufgenommen hatten: »Halt, stehenbleiben, oder ich schieße.« Ihre schweren Stiefel schlugen einen raschen Takt auf das Kopfsteinpflaster, das Hecheln des Hundes kam näher und näher, und ich hatte keine Lust, die Anwendung der Vorschriften über den Schußwaf-fengebrauch auf dem Werksgelände kennenzulernen.
    Der Rhein sah kalt aus. Aber ich hatte keine Wahl und sprang.
    Der Kopfsprung aus vollem Lauf hatte genug
    Schwung, um mich erst nach einem guten Stück wieder an die Wasseroberfläche kommen zu lassen. Ich wandte den Kopf und sah die Werkschützer mit dem Schäferhund an der Kaimauer stehen und mit der Taschenlampe ins Wasser leuchten. Meine Kleider waren schwer, und die Rheinströmung ist stark, und ich kam nur mühsam voran.
    »Gerd, Gerd!« Philipp ließ sein Boot im Schatten der Kaimauer abwärts treiben und rief flüsternd nach mir.
    »Hier«,

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