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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
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mal anschauen. Das müßte allerdings gleich sein.«
    »Das paßt mir.«
    Ich bestellte ihn ins Büro. Es fing an zu dämmern, ich machte das Licht an und ließ die Jalousien herunter.
    Fred kam fröhlich und zutraulich. Es war hinterhältig, aber ich schlug sofort zu. In meinem Alter kann ich mir in solchen Situationen keine Fairness leisten. Ich traf ihn in den Magen und hielt mich nicht damit auf, ihm die Sonnenbrille von der Nase zu nehmen, bevor ich ihn ins Gesicht schlug. Seine Hände fuhren hoch, und ich boxte ihn noch einmal voll in den Unterleib.
    Als er mit seiner Rechten einen schüchternen Gegenschlag versuchte, drehte ich ihm den Arm auf den Rük-ken, trat ihm in die Kniekehle, und er ging zu Boden.
    Ich behielt ihn im Griff.
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    »In wessen Auftrag hast du im August einen Kerl auf dem Ehrenfriedhof zusammengeschlagen?«
    »Halt, halt, du tust mir weh, was soll denn des. Ich weiß nicht genau, der Chef sagt mir doch nichts. Ich …
    aua, laß nach …«
    Stück um Stück kam’s raus. Fred arbeitete für Hans, der bekam die Aufträge und traf die Absprachen, nannte Fred keine Namen, sondern beschrieb ihm nur Person, Ort und Stunde. Manchmal hatte Fred was mitgekriegt, »für den Weinkönig hab ich amal zulangt und amal für die Gewerkschaft und für die Chemie … hör auf, ja vielleicht der auf dem Kriegerfriedhof … hör auf!«
    »Und für die Chemie hast du den Kerl ein paar Wochen später umgebracht.«
    »Du bist ja wahnsinnig. Ich hab doch niemand umgebracht. Wir haben den Kerl ein bisserl aufgemischt, weiter nichts. Hör auf, du kugelst mir den Arm aus. Ich schwör’s dir.«
    Ich schaffte es nicht, ihm so weh zu tun, daß er lieber die Folgen des Geständnisses eines Mordes in Kauf nehmen als den Schmerz länger ertragen würde. Au-
    ßerdem fand ich ihn glaubhaft. Ich ließ ihn los.
    »Tut mir leid, Fred, daß ich dich rauh anfassen muß-
    te. Ich kann es mir nicht leisten, daß jemand für mich arbeitet, der einen Mord am Stecken hat. Der ist tot, der Kerl, dem ihr’s damals besorgt habt.«
    Fred rappelte sich hoch. Ich zeigte ihm das Wasch-becken und schenkte ihm einen Sambuca ein. Er stürzte ihn hinunter und machte, daß er davonkam.
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    »Schon gut«, murmelte er. »Aber mir reicht’s jetzt, i geh.« Vielleicht fand er mein Verhalten unter professionellen Gesichtspunkten in Ordnung. Aber seine Sympathie hatte ich mir verscherzt.
    Wieder ein Steinchen mehr und dennoch kein stim-migeres Bild. Da war also die Konfrontation zwischen den rcw und Mischkey bis zum Einsatz professioneller Schläger gediehen. Aber von dem Denkzettel, den Mischkey auf dem Ehrenfriedhof bekommen hatte, zum Mord ist ein gewaltiger Schritt.
    Ich saß hinter meinem Schreibtisch. Die Sweet Afton hatte sich selbst geraucht und nur ihren aschenen Leib zurückgelassen. Auf der Augusta-Anlage rauschte der Verkehr vorbei. Vom Hinterhof hörte ich das Geschrei spielender Kinder. Es gibt Tage im Herbst, an denen einem Weihnachten in den Sinn kommt. Ich überlegte, womit ich meinen Baum in diesem Jahr schmücken sollte. Klärchen liebte es klassisch und behängte den Baum jahraus, jahrein mit silbrig glänzenden Glasku-geln und Lametta. Ich habe seitdem von Wikingautos bis Zigarettenschachteln manches ausprobiert. Damit habe ich mir bei meinen Freunden einen Ruf erworben, aber auch Maßstäbe gesetzt, denen ich nun verpflichtet bin. Das Universum der kleinen christbaumschmuckfä-
    higen Gegenstände ist nicht unbegrenzt. Ölsardinendosen zum Beispiel wären dekorativ, sind aber schon sehr schwer.
    Philipp rief an und forderte mich auf, seinen neuen Kabinenkreuzer anzuschauen. Brigitte fragte, was ich heute abend vorhabe. Ich lud sie zu mir zum Essen ein, 207
    rannte los und besorgte noch ein Schweinelendchen, gekochten Schinken und Chicorée.
    Es gab Lendchen italienische Art. Danach legte ich
    ›Der Mann, der die Frauen liebte‹ ein. Ich kannte den Film schon und war gespannt, wie Brigitte darauf reagieren würde. Als der Schürzenjäger den schönen Frau-enbeinen nach und in das Auto lief, fand sie, das geschehe ihm recht. Sie mochte den Film nicht besonders.
    Aber als er zu Ende war, ließ sie sich’s nicht nehmen, wie zufällig vor der Stehlampe zu posieren und ihre Beine im Gegenlicht zur Geltung zu bringen.
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    Eine kleine Geschichte
    Ich setzte Brigitte zur Arbeit am Collini-Center ab und trank bei ›Gmeiner‹ den zweiten Kaffee. Ich hatte keine heiße Spur im Fall Mischkey. Natürlich konnte ich weiter

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