Selbs Justiz
wir erst mal das Fläschchen, und dann lichten wir Anker. Ich hab Radar und kann zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Fahrt gehen.«
Aus dem einen Fläschchen wurden zwei. Zuerst er-zählte Philipp mir von seinen Frauen. »Und bei dir, Gerd, wie sieht’s da aus mit der Liebe?«
»Och, was soll ich sagen.«
»Nichts mit flotten Politessen oder feschen Sekretä-
rinnen, oder womit hast du sonst noch zu tun?«
»Ich habe da bei einem Fall neulich eine Frau kennengelernt, die mir schon gefallen würde. Aber das ist schwierig, weil ihr Freund nicht mehr lebt.«
»Was ist daran, bitte schön, schwierig?«
»Na ja, ich kann mich doch nicht an eine trauernde Witwe ranmachen, noch dazu, wo ich rauskriegen soll, ob der Freund ermordet wurde.«
»Wieso kannst du das nicht? Ist das dein staatsan-waltlicher Ehrenkodex, oder hast du schlicht Schiß, daß sie dir einen Korb gibt?« Er machte sich über mich lustig.
»Nein, nein, das kann man so nicht sagen. Dann ist da auch noch eine andere, Brigitte. Die gefällt mir auch gut. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll so mit zwei Frauen.«
Philipp brach in schallendes Gelächter aus. »Du bist ja ein richtiger Schwerenöter. Und was hindert dich, Brigitte näherzutreten?«
»Der bin ich ja schon … mit der habe ich ja auch …«
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»Und jetzt bekommt sie ein Kind von dir?« Philipp konnte sich kaum halten vor Lachen. Dann merkte er, daß mir gar nicht zum Lachen war, und erkundigte sich ernst nach meiner Lage. Ich erzählte.
»Das ist doch kein Grund, so traurig zu schauen. Du mußt nur wissen, was du willst. Suchst du eine zum Heiraten, dann bleib bei Brigitte. Die sind nicht schlecht, die Frauen von vierzig, haben alles schon gesehen, alles erlebt, sind sinnlich wie ein Sukkubus, wenn man sie zu wecken versteht. Und dann noch eine Masseurin, du mit deinem Rheuma. Mit der anderen, das klingt nach Streß. Ist dir danach? Nach Amour fou, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt?«
»Das weiß ich doch nicht, was ich will. Wahrscheinlich will ich beides, die Sicherheit und das Prickeln. Jedenfalls manchmal will ich das eine und manchmal das andere.«
Das verstand er. Darin trafen wir uns. Ich wußte inzwischen, wo der Bordeaux lag, und holte die dritte Flasche. In der Kajüte stand der Rauch.
»He, Smutje, geh er mal in die Kombüse und tu den Fisch aus dem Fridsch in den Grill!« Im Eisschrank standen Kartoffel- und Wurstsalat aus dem Kaufhof und lag das tiefgefrorene Fischfilet. Es mußte nur noch in den Infrarotgrill gepackt werden. Nach zwei Minuten konnte ich das Dinner mit in die Kajüte nehmen.
Philipp hatte den Tisch gedeckt und Zarah Leander aufgelegt.
Nach dem Essen gingen wir auf die Brücke, wie
Philipp es nannte. »Und wo hißt man hier das Segel?«
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Philipp kannte meine dummen Witze und regte sich nicht auf. Auch meine Frage, ob er noch navigieren kön-ne, hielt er für einen schlechten Witz. Wir waren ganz schön blau.
Wir fuhren unter der Altrheinbrücke durch und
wandten uns, als wir den Rhein erreicht hatten, rhein-aufwärts. Der Strom lag schwarz und schweigend. Auf dem Gelände der rcw waren viele Gebäude hell er-leuchtet, fackelten hohe Rohre bunte Feuer ab, warfen Peitschenlampen grelles Licht. Der Motor tuckerte leise, das Wasser schlug klatschend gegen die Bordwand, und vom Werk drang ein gewaltiges, tosendes Fauchen.
Wir glitten am Verladehafen der rcw, an Lastkähnen, Anlegestellen und Containerkränen, an Gleisanlagen und Lagerhallen vorbei. Nebel kam auf. Es war frisch geworden. Vor uns konnte ich schon die Kurt-Schu-macher-Brücke erkennen. Das Gelände der rcw wurde düster, hinter den Gleisen ragten alte Gebäude spärlich beleuchtet in den Nachthimmel.
Ich hatte eine Eingebung. »Fahr mal rechts ran«, sagte ich zu Philipp.
»Du meinst, ich soll anlegen? Jetzt, dort, bei den rcw? Warum denn das?«
»Ich möchte mir was ansehen. Kannst du da eine halbe Stunde parken und auf mich warten?«
»Das heißt nicht parken, sondern vor Anker gehen, wir sind auf einem Boot. Ist dir klar, daß wir halb elf haben? Ich dachte, wir machen vor dem Schloß die Kurve, tuckern zurück und trinken nachher im Waldhof-Becken die vierte Flasche.«
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»Ich erkläre dir das alles nachher bei der vierten Flasche. Aber jetzt muß ich da rein. Es hängt mit dem Fall zusammen, von dem ich dir vorhin erzählt habe. Und ich bin überhaupt nicht mehr blau.«
Philipp sah mich kurz prüfend an. »Du wirst wissen, was du machst.« Er steuerte das
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