Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben
wie der Name schon sagt, DEUTSCHE Bahn, folgerichtig keineswegs ein Taxifahrer in Palermo also, und ich meine wirklich den Verein mit den PUFFPUFF-Zügen, die man überall sieht, möchte in der Tat 70 Euro für eine Fahrt nach Hamburg.
Zahl ich. Nützt ja nix. Sprinte durch den Bahnhof. Sehenswürdigkeiten: The Return of the Oberlippenbart zum einen, denn der Bahnhof ist voller düsterer Wachmänner mit schwarzen Baretts und Fressen, als würden sie einen Zug mit geklonten Sauriern erwarten. Zum anderen ein Kiosk, der Inflations-Los-Wochos hat, denn die Dose Cola kostet 3 Euro, und als ich im Vorbeieiern einen flüchtigen Blick auf die Bildzeitung werfe, kreischt der Besitzer: »Wir sind keine Leihbücherei, ey!«
Dann ab aufs Gleis. Abfahrt 15:27 Uhr. Noch drei Minuten.
Eine rauchen. Sehe auf die Infotafel am Gleis. Aha, kann mir sogar zwei rauchen. Und das sehr langsam. Sehr, sehr langsam. Bin selbst dauernd zu spät, deswegen kein weiterer Kommentar.
Kippe ins Gesicht, Lautsprecherdurchsage:
»RAUCHEN NUR IM GELBEN VIERECK!«
Wer ist das gelbe Viereck?, denke ich. Im Film BATMAN RETURNS gabâs eine Zirkus-Mörder-Bande namens »Das rote Dreieck«. Was will der Lautsprecher? Gehtâs präziser?
»GEHEN SIE INS GELBE VIERECK!«
Ach da, sehe ich. Da hat wer ein gelbes Quadrat mit 2 Meter Kantenlänge auf den Bahnsteig gemalt. Darin stehen dampfende Reiselustige. Ich geselle mich dazu. Wahnsinn, denke ich. Wie machen die das, dass der Zigarettenrauch nicht aufs Gleis wabert und immer im gelben Viereck bleibt? Ist das wie bei STARGATE? Zieht der Rauch ab der Kante in die Atmosphäre eines Wüstenplaneten? Das muss kostspielig sein. Deswegen also 70 Euro. Ach nein, registriere ich, der Rauch treibt aufs Gleis!
Forme die Hände zu einem Trichter: »Herrschaften, das gelbe Viereck ist kaputt!«
Der Lautsprecher springt wieder an, aber es kommt die falsche Antwort.
»Es hält einigermaÃen planmäÃig Einzug â¦Â«
Der Karnevalsprinz und seine Narrengespielin, Prinzessin Gisela die Achte, denke ich.
»â¦Â der ICE Habichvergessen von Habichvergessen nach Hamburg. Das Bordrestaurant befindet sich heute in Wagen 38.«
Ich steige zu.
Voll bis zum Bersten, die Bimmelbahn. 70Â Euro sind ohne Sitzplatzgarantie. Die Bahn macht das schon mal sporadisch so, ein paar Tickets mehr verkaufen, als eigentlich Leute in den Zug passen, warum auch nicht?
Das sollte die Bahn mal bei einem Motörhead-Konzert versuchen, da werden die drauÃen gebliebenen Fans am nächsten Tag zwanglos die Zentrale aufsuchen und dem Vorstand feierlich auf den Wurzelholztisch scheiÃen, aber bei der Bahn geht das.
Menschen wanken wie besoffen herum, alle Sitzplätze sind bereits belegt, und zwar nur und wirklich ausschlieÃlich von Leuten, die ein iPad oder ein Netbook oder ein Laptop oder alles dabeihaben. Da werden Dokumente durch Gleitsichtbrillen angeglotzt, Männer in Pullundern schauen Two and a Half Men auf Kleincomputern, es stinkt ein bisschen nach Rasierwasser, und da kommt auch schon der bahneigene Mundschenk mit seiner Sackkarre voller Brezeln und Kaffee.
Ist ein bisschen wie im Casino hier.
Erstmal auf die Bordtoilette.
Besetzt. Ein Waggon weiter. Besetzt. Alles besetzt. So weit, so bekannt. Bleibe ich halt im dröhnend lauten Knickgelenk zwischen den Abteilen stehen. Das magische gelbe Viereck gabâs noch nicht, als ich damals beim Bund war, aber mangels Sitzgelegenheit wie eine Flipperkugel im Niemandsland zwischen den Wagen herumbollern kannte ich schon.
Rumms, die Toilettentür geht auf.
Ich schlüpfe hinein.
Schick, denke ich. Wie damals. Die Abmessungen des Raums kann man nicht mit herkömmlichen Mitteln beschreiben. Am ehesten trifft es zu, sie mit KonfektionsgröÃe 52 anzugeben. Wie ein schlecht riechender Schlafsack aus sehr starrem Material.
Ich betätige aus Spaà die Spülung. Es macht SCHUMP! Sonst nix. Da hat sich technisch was getan in den letzten Jahrzehnten. Spitze. Die leiten das um.
Wenn ich zu Wehrdienstzeiten mal soldatisch austreten musste, tat sich in den Schüsseln der bahneigenen Notdurftsarkophage ein gleiÃendes Loch auf, und man kackte aufs Gleis. Das warf dann stets die Frage auf:
Wenn mal was ist â wer bessert die Strecke eigentlich aus? Sträflinge? Aber jetzt leiten sieâs ja um. Wohin? Ich denke, die Antwort findet man im
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