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Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben

Titel: Selbstbeherrschung umständehalber abzugeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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Einsichten in das Schussverhalten einer AK-47. Schönes Hobby. Ist im Prinzip wie MENSCH ÄRGERE DICH NICHT. Nur ohne Würfel. Und Spielbrett. Und Überlebende. Aber mit Ärger. Ich spiele es auf einem Full-HD-Beamer, mit Surround-Boxen, und ich trage auch stilecht Tarnkleidung dabei. Allerdings muss ich neuerdings verschärft beachten, dass mein Sohn nichts davon mitkriegt. Der schläft im Zimmer nebenan, hört Benjamin Blümchen, fragt aber morgens immer öfter nach, warum da ständig Explosionsgeräusche sind und warum ich immer so schlimm schimpfe. »Benjamin, du lieber Elefant! … VERRECKE, du chinesischer Paselacke! Ich tanze auf deinem Leichnam! Törööööö.«
    Gestern schlich sich mein Sohn dann ins Wohnzimmer. Ich bemerkte ihn nicht sofort. Er mich gar nicht. Denn ich trage ja Tarnkleidung. Aus braunem Samt. Hauteng. Mein Sofa ist braun. Ich verschmelze mit meiner Umgebung. »Papa?« »Jou«, sagte ich. Mein Kind staunte Bauklötze, weil es dachte, die Couch könne neuerdings sprechen. Da war was dran. »Ich bin hier«, sagte ich und wuchtete mich hoch. Muss für meinen Sohn gewirkt haben, als würde das Sofa einen Herrn in den Raum kacken.
    Â»Was machst du da?«, fragte mein Sohn.
    Â»Och. Spielen.«
    Â»Was denn?«
    Â»Wie was denn?«
    Â»Ja wahas?«
    Â»Hier«, erwiderte ich und schnippte nach Worten ringend mit dem Finger. »Sach schnell. Äh … Postamt.«
    Â»Du spielst Postamt?«
    Â»Das ist korrekt, Kind!«
    Ich war ein wenig unkonzentriert, denn das Problem bei Online-Spielen ist: Pause gibt’s nicht. Zieh es durch oder geh drauf. Das Spiel lief. Auf der kompletten Wohnzimmerwand war ein verschneites Raketensilo zu sehen, und überall wuselten Gegner herum, dass es eine Art hatte.
    In diesem Moment nahm mich ein Bolivianer unter Feuer. Es erwischte mich, mein virtuelles Gesichtsfeld färbte sich auf einer Fläche von 3 × 2,70 Meter rot. »Hui«, sagte mein Sohn. »Was ist das?«
    Dem ersten Impuls folgend sagte ich:
    Â»Fleuropgrüße. Primeln. Express. Sowas.«
    Â»Schickst du dem auch was Schönes?«
    Â»Allerdings. Rohrpost.« Ich schoss zurück. »So. Zugestellt.«
    Â»Der fällt ja um.«
    Â»Hatte bestimmt ’n anstrengenden Tag.«
    Â»Kennst du den denn?«
    Â»Ja aber klar. Wir sind Freunde. Wir schicken uns die ganze Zeit was.«
    Â»Wie heißt der denn?«
    Ich stellte eine Claymore genannte Sprengfalle auf. »Udo. Das ist mein alter Kumpel Udo.« Das stimmte auch fast. Nur dass er BEASTFUCKER1266 hieß und ich ihn zwar nicht kannte, aber hasste.
    Genau wie Wämser-Bad-Godesberg-17, Kacksuppe92 und Hackahackawickwack55670.
    Â»Was hast du da hingestellt?«
    Â»Briefkasten.«
    Prompt latschte mir ein Typ aus der gegnerischen Partei in die Sprengfalle und zerstob zu grober Mettwurst. »Wo ist der hin? Spazieren?«
    Â»Teilweise. Geh wieder ins Bett, Liebling.«
    Â»Der ist weggeflogen. Ist er eine Fee?«
    Â»Ja … sicher.«
    Â»Und wie heißt die Fee?«
    Â»Tinker … Bill.«
    Â»Cool. Ich will auch Postamt spielen.«
    Â»Neenee. Morgen ist Schule.«
    Außerdem ritt ich mich gerade echt in die Scheiße. Was war ich nur für ein Vater. Plötzlich von links ein auf mich gehetzter Dobermann. Er ging sofort auf Kehle. Ich brach ihm augenblicklich das Genick.
    Â»Das war Lassie!«
    Â»Das war nicht Lassie«, sagte ich, »das war lässig. Ins Bett jetzt!«
    Â»Das hat beim Streicheln geknackt.«
    Â»Ganz rustikaler Kamerad, der Köter«, erwiderte ich. »Der mag das so.«
    Ich stellte noch einige Einschreiben zu. Die Suppe spritzte nur so. »Das sah aus wie Blut«, sagte mein Sohn.
    Â»I wo. Da hat gerade einer mit ’nem Eisenstock gewunken, das bedeutet: Schick mir Erdbeermarmelade. Hab ich auch sofort gemacht. Ist ’n bisschen was danebengegangen.«
    Ein Blick auf die Uhr unten rechts. Noch drei Minuten, acht Sekunden.
    Urplötzlich rannte eine Gruppe bis an die Zähne bewaffneter Deppen auf mich zu.
    Â»Ui. Was wollen die?«, fragte mein Sohn.
    Â»Die sind krank.« Ich eröffnete das Feuer. »Die werden jetzt geimpft. Schluckimpfung ist süß. Kinderlähmung ist grausam.« Ich tötete 5. Sie kippten um.
    Â»Scheint nicht gewirkt zu haben.«
    Â»Manchmal stößt ein Arzt an seine Grenzen«, sagte

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