Selbstmord der Engel
umziehen.
Die Anlegestelle des Partyschiffs lag unweit der Tower Bridge und dem Canary Wharf Pier. Auch in der Dunkelheit, wenn die Brücke beleuchtet war, bot sie einen fantastischen Anblick. Bei diesem Wetter über die Themse zu schippern, war schon ein Erlebnis, denn die Nacht, das hatte ich gehört, sollte lau bleiben.
Den Rover hatte ich in der Garage stehen gelassen und war mit der U-Bahn gefahren. Halb London schien noch auf den Beinen zu sein, denn es herrschte ein Betrieb, der mich schon verwunderte. Die Leute wollten eben raus und nicht in ihren stickigen Wohnungen bleiben.
Auch ich hatte mich leger angezogen. Eine helle dünne Hose. Dazu ein leichtes Hemd mit schwachen blauen Karos als Muster und ein dünnes Jackenhemd aus gelb eingefärbtem Leinen.
An der Anlegestelle wollten wir uns treffen. Dort ballte sich bereits einiges an Menschen zusammen. Man musste Karten kaufen und tat dies unter dem Gesang von Robby Williams, der die Gäste bereits in Stimmung brachte.
Nach Glenda hielt ich Ausschau, entdeckte sie noch nicht und besorgte die Tickets. Ich stellte mich etwas abseits hin und beobachtete die ankommenden Gäste. Es wurde nur eine bestimmte Anzahl von Tickets verkauft. Zu viele Personen durften aus Sicherheitsgründen nicht an Bord, was ich als sehr gut empfand.
Die imposante Brücke lag in Sichtweite. Ich befand mich auf der Towerseite und erlebte auch die zahlreichen Touristen, die sich dieses Gefängnis anschauten und aus dem Fotografieren kaum herauskamen.
Der Blick auf die Uhr. Glenda hatte sich leicht verspätet. Eine Viertelstunde gab ich ihr gern, doch so lange brauchte ich nicht zu warten, denn als sie auftauchte, war sie für mich nicht zu übersehen. Außerdem winkte sie mir zu, kam lachend näher, und ich stand da und schaute sie nur an.
»Ist was, John?«
»Wow!«
»Willst du bellen?«
»Das nicht. Aber alle Achtung, du siehst echt stark aus.«
»Die Klamotten kennst du nicht, wie?«
»Nein.«
Ich musste noch mal hinschauen, um mir alles genau anzuschauen. Glenda trug eine dieser wieder modern gewordenen Caprihosen. Allerdings nicht unifarben, sondern bunt gestreift. Die Farben gelb, rot und grün malten sich auf dem Stoff ab. Von den Beinen bis hin zum Bund zogen sie sich hoch. Als Oberteil trug sie ein helles Top mit buntem Strass auf der Vorderseite, und einen leichten Pullover hatte sie locker über die Schultern gehängt.
Das war nicht alles, denn ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ich ihr Gesicht genauer betrachtete. Da fiel mir der Lippenstift auf, mit dessen Farbgebung ich zunächst nicht zurechtkam, weil ich eigentlich keine Farbe so recht erkannte.
Bis mir auffiel, dass die Lippen zwar blass, aber dreifarbig geschminkt waren. Auf ihnen sah ich genau die Farben, die sich auch in der Hose abmalten.
»Das ist ja...«
»Trendy«, erklärte Glenda. »Es ist einfach trendy, wenn du es genau wissen willst.«
»Klar. Wie konnte ich das vergessen.« Ich lachte. »Mich wundert nur, wie du... nun ja, im Büro so herumzulaufen, würde zu viel Aufsehen erregen.«
»Du sagst es.«
»Und jetzt?«
Glenda zuckte die Achseln. »Solltest du die Zeit inzwischen genutzt und Tickets gekauft haben, könnten wir an Bord gehen.«
Ich hielt die beiden kleinen Karten hoch.
»Super. Dann los!«
Glenda war in Form. Sie hakte sich bei mir ein, drückte sich an mich und wiegte sich beim Gehen im Rhythmus der Klänge, die uns entgegenwehten.
Auch von mir fiel eine gewisse Last des Tages einfach ab. Ich gab mich locker, fühlte mich auch so und freute mich wirklich auf die nächsten Stunden an Bord, die ich in angenehmer Begleitung verbringen würde.
Wochenende. Hoffentlich blieb es dabei. Mal etwas Ruhe haben. Keinen Stress mit den Mächten der Finsternis. Durchatmen können. Lachen, sich erfreuen, das war es doch, was Körper und Seele gut tat.
Unsere Gesichter bekamen einen anderen Farbton, als wir an Bord gingen. Man kontrollierte die Tickets, wünschte uns allen Spaß der Welt, und als Glenda fragte, wann die Fahrt beendet sein würde, hob der Kontrolleur nur die Schultern.
»Das kann man nie so genau sagen. Manchmal ist es sogar so etwas wie ein offenes Ende.«
»Dann steht uns noch etwas bevor.« Glenda lachte. »Oder bist du müde, John?«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Du hast heute nicht im Büro geschlafen.«
»Das hole ich dann später nach. Du weißt doch, wer schläft, der sündigt nicht.«
Glenda brachte ihre Lippen dicht an mein rechtes Ohr.
Weitere Kostenlose Bücher