Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
Vom Netzwerk:
... so heißt es doch, korrigier mich, wenn ich was Falsches sage, aber so heißt das doch wortwörtlich in einem der Gebote, frag mich nicht, in welchem ... unnützlich führen ... das hier kann er nicht gemeint haben, oder doch?« Sie erhöhte das Tempo, er stöhnte auf. Sie schmiegte ihre Wange an seine, ihr Mund an seinem Ohr. Ein Strom entsetzlicher Obszönitäten kam aus diesem Mund, unterbrochen von Lustlauten jeder Art, die er je gehört hatte. Und viele, die er noch nie gehört hatte.
    Es dauerte lang. Dann schrien beide auf, es klang aber nicht nach zweien. Es klang nach etwas Einmaligem, Einzigen; aus einer Spalte im Boden tönte es herauf, aus der Tiefe klang es, ein Röhren wie von einem unbekannten Tier.
    Ihre Pulse jagten, Schweiß glänzte auf der Haut.
    »Es geht nicht um das Mädchen, hab ich recht?«
    Er nickte. Sprechen konnte er nicht, was er sagen wollte, blieb im Hals stecken.
    »Es geht um die Frau. Aber wie auch immer – du musst das Opfer hoch ansetzen, sehr hoch.« Sie richtete sich auf, sah ihn an. »Es geht hier um das Leben. Um deins. Wenn dem Mädchen was passiert, ist die Frau weg. Dann ist dein Leben nichts mehr wert.« Sie löste sich von ihm, erhob sich. »An deiner Stelle würde ich nicht knausern. Was nützt dir Geld, wenn du sie verlierst?«
    Sie zog sich an. Sein Denkvermögen kehrte zurück. Er suchte seine Hose, nahm sie vom Boden auf. Wenn man die Situation bedachte, ergab ihre Rede keinen Sinn, nicht den geringsten. Sie riet zu opfern, viel zu opfern. Um eine Frau nicht zu verlieren, die er eben betrogen hatte. Und nicht etwa mit einer Hure, sondern mit dieser ... dieser Frau Mießgang, die ganz etwas anderes war als eine Hure. Was genau, wusste er nicht. Unbehagen breitete sich in ihm aus wie Eiswasser. Was hatte er hier getan? War er verrückt? Das war die einzige Lösung und Erklärung. Sinnesverwirrung, vorübergehender Verlust des Verstandes. Er liebte Ursula doch! Das hier in dieser Sozialwohnung hatte nichts damit zu tun. Nichts mit Liebe, nicht einmal mit Zuneigung. Womit dann hatte es zu tun? Darüber wollte er nicht nachdenken.
    Aus dem Monster, das seine Lust herausbrüllte, wurden zwei Individuen. Er kannte sie nicht. Nicht richtig. Sie war nicht sympathisch. Er stand ihr nicht einmal neutral gegenüber, sie war ihm nicht angenehm. Er wollte raus hier.
    »Geh nur«, sagte sie. »Ich hab sowieso zu tun.« Er zog sich an, es fiel ihm nichts ein, was er sagen sollte. So ging er ohne ein Wort.
    Im Flur des Erdgeschosses blieb er stehen. Alles war still. Geistesverwirrung, schön, das gebrauchen sie immer als Ausrede, manchmal fällt das Gericht auch darauf rein. Mit einem geschickten Anwalt ... in dieser Sache hatte er keinen. Aber er kannte die Wahrheit. Geistesverwirrung. Dennoch ein Verbrechen, besser: eine Störung der Ordnung der Dinge, der Verhältnisse. Das kam vor. Nicht todeswürdig, aber zu sühnen. Das musste sein.
    Er öffnete die schäbige Haustür, trat ins Freie. Dort sagte er, nicht zum Himmel und nicht zur Erde gewandt, nur geradeaus in Richtung des Nachbarblocks mit der Nummer 7: »Ich opfere mein ganzes Vermögen für das Leben Karins.«
     
    F ünfhunderttausend.
    Das war die Summe. Klang ungeheuer, aber nicht unvorstellbar. Eine Million wäre schon eine andere Ebene gewesen, etwas Phantastisches, Irreales. Aber fünfhunderttausend – das war einfach nur viel Geld. Das war machbar. Das klang so, dass man fragen wollte: mit Mehrwertsteuer oder ohne? Drei Prozent Skonto bei Barzahlung? Es klang nach Geschäft. Er wurde zuversichtlich, als er die Zahl hörte. Fünfhunderttausend konnte er aufbringen. Mit Klimmzügen und Scherereien. Es war nicht leicht, aber es ging. Vor allem konnte er es aufbringen, ohne Aufsehen zu erregen. Er hatte nicht versucht, zu feilschen, er hatte sofort akzeptiert. Mit der elektronisch verzerrten Stimme am anderen Ende zu handeln hätte nichts gebracht; das waren vernünftige Leute, die ein Geschäft abwickelten. Er hatte nur gesagt, sie müssten sich gedulden, weil sonst Aufmerksamkeit erregt wird ... »und das wollen wir nicht«, hatte die Stimme gesagtund ihm drei Tage gegeben. Drei Tage war in Ordnung. Er musste sich gewaltig dahinter klemmen, aber drei Tage, das ging, das war machbar. Und kein Gebrülle, keine Drohungen, kein abgeschnittenes Ohr. Er wurde zuversichtlich. Die Nachricht wirkte auch auf Ursula. Sie hörte auf zu weinen, zum ersten Mal seit Tagen gab sie Antwort auf seine Fragen, sie führten ein

Weitere Kostenlose Bücher