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Semmlers Deal

Semmlers Deal

Titel: Semmlers Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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Pfarrkirchen und Poststellen vorbei, den breit ausladenden Bauernhäusern im Rheintalstil, ging immer weiter, kreuz und quer. Es kam ihm nicht darauf an, wohin er marschierte, nur darauf, in Bewegung zu bleiben. Nach geraumer Zeit begannen die Füße weh zu tun, dann die Unterschenkel. Die Gnadenfrist ziellosen Gehens war vorbei, er musste zurück, er musste nach Hause, er musste sich dem stellen, was ihn dort erwartete. Eine leere Wohnung. Vielleicht aber auch nicht. Er hatte einen Deal.
    Ohne es zu planen, kam er in die Rosenstraße zurück, am Villengrundstück vorbei, wo er diesen Deal angeboten hatte. Er betrat es wieder durch die Hecke, lief zum Ligustergebüsch und sah zum Pyramidenhaus hinüber. Jetzt war alles dunkel, auch der erste und zweite Stock. Und der fünfte natürlich, der auch. Hoffnung keimte. Etwa hundert Meter weit. Dann überquerte er die Einmündung der Goethestraße, und der Mercedes von Wurtz kam ihm entgegen. Zwei Personen saßen im Auto, sie mussten ihn sehen, er hatte zu spät bemerkt, dass es Wurtz war, weil ihn die Scheinwerfer blendeten. Ein Mann und eine Frau, sie lachten. Der Wagen bog nach links in die Goethestraße ein.Semmler blieb stehen. Die Hoffnung verschwand. Mit dem Deal, das hatte nicht funktioniert. Auch gut. Dann würde eben etwas geschehen, etwas Dramatisches, Verrücktes. Semmler drehte sich um, ging dem Wagen nach, der schon in der Einfahrt des Pyramidenhauses verschwunden war. Wurtz und Ursula würden aussteigen. Semmler richtete in der Hosentasche den Schlüsselbund her: er ließ die Spitzen der Sicherheitsschlüssel zwischen den Fingern aus der geballten Faust herausschauen. Er würde diese Spitzen in das Gesicht des Anwalts schlagen, zwei, drei Mal hintereinander, das würde eine grandiose Sauerei abgeben, gleich jetzt würde das passieren, in ein paar Sekunden, er lief schneller, lief dem Auto hinterher, das nicht stehen blieb, sondern eben in die Rampe zur Tiefgarage einbog; Wurtz ließ ihn einfach stehen, obwohl er ihn gesehen hatte, obwohl Ursula ihn gesehen hatte, sie ließen ihn draußen stehen, besser: wollten ihn stehen lassen, aber das ging nicht mit Semmler, der einen Deal hatte mit ... egal jetzt ... er rannte die Rampe hinunter, als sich das elektrische Tor hob, das Auto war keine drei Meter vor ihm, laute Musik dröhnte heraus, irgendwas Poppiges, was er Wurtz nicht zugetraut hätte und was wohl besondere Jugendlichkeit signalisieren sollte, Semmler schlüpfte hinter dem Auto in die Garage, bevor sich das Tor mit dumpfem Blechton schloss. Jetzt begriff er, dass sie ihn nicht gesehen hatten. Zu beschäftigt miteinander, zu betrunken, kein Blick in den Rückspiegel, warum auch, glücklich waren sie heimgekehrt ohne Polizeikontrolle, nach einem Abend reizender Versprechungen, eine Nacht ihrer Einlösung vor sich.
    Semmler hatte eine Idee. Er trat hinter eines der geparkten Autos, duckte sich. Tiefgarage, das war zu billig, wennschon, denn schon. Im Schlafzimmer würde es passieren, die Züchtigung, was für ein Wort, es gefiel ihm, Züchtigung; Blut würde spritzen auf diesen sündteuren weißen Teppich, an den er sich erinnerte, den Teppich hatte Wurtz sicher noch, den konnte er dann wegschmeißen, die Flecken gingen nie mehr raus, was heißt hier Flecken; wenn er mit Wurtz fertig war, würde das Schlafzimmer aussehen, als ob man darin ein Schaf geschächtet hätte ...
    Er hörte das Aussteigen, beidseitiges Gelächter und ein weibliches Quietschen, das er von Ursula noch nie gehört hatte, die Musik erstarb, Türen wurden zugeschlagen, dann Gekicher auf dem Weg zum Lift, die Lifttür und Stille.
    Er beobachtete die Signallampen am Lift. Fünfter Stock. Er nahm ihn nicht, er nahm die Treppe. Im Haus war es still, sie haben wahrscheinlich die Türen erneuert, dachte er beim Stufensteigen, die Fenster sowieso, sonst wären die Heizkosten monströs bei dem vielen Glas ... er wurde ruhiger, wunderte sich, dass ihm das Energiezeug eingefallen war. Auf dem Weg, die Frau und ihren Galan in flagranti zu erwischen, was mach ich hier eigentlich, ging es ihm durch den Kopf, wenn einer aus einer Wohnung tritt. Es ist halb zwei in der Nacht, ich bin in einem fremden Haus, wie bin ich rein gekommen, was will ich hier? Niemand trat aus einer Tür, aber im fünften Stock war er nüchtern, die idiotische Anwandlung verflogen. Zwei Türen auf diesem Treppenabsatz, die linke die zur Wohnung Christoph Wurtz, das wusste er noch. Er legte das Ohr an die Tür, alles blieb

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