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Sensation in der Manege

Sensation in der Manege

Titel: Sensation in der Manege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
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jetzt das Vierergespann an ihnen vorbeischoß, glaubten sie, ihren Einsatz verpaßt zu haben, und rasten hinterher. Bis zur Kurve hatten sie die anderen fast eingeholt.
    „Seid ihr total verrückt geworden?“ kreischte Herr Klönke . „Das ist doch kein römisches Wagenrennen!“
    Krachend löste sich das Weinfaß aus seiner Verankerung und landete in einem Schaufenster mit eleganten Abendmoden. Die festlich gekleidete Puppengesellschaft sackte über ihm zusammen, als hätte sie das Faß kurz zuvor leergetrunken. Das Publikum ging schreiend in Deckung; Weinlaubgirlanden und künstliche Trauben zischten wie Silvesterraketen durch die Luft. Dem Bürgermeister legte sich ein Kranz von Blättern um die Brust, als trüge er ein Lätzchen. Herr Imrogge durchstieß den über ihm niedergehenden Plakatwürfel und stand plötzlich ohne seine Zweitfrisur da.
    „Anhalten! Anhalten!“ schrie Herr Klönke , der nicht begreifen wollte, daß die Pferde durchgegangen waren. „Haltet sofort an...“ Das Wort erstickte gurgelnd unter einer Traube, die ihm ins Gesicht klatschte und nun aus seinem Mund hing, als wolle er sie apportieren.
    „ Brrrr !“ schrie Bille. „ Brrrrr ! Zottel! Bongo! Ruhig! Haaaalt ! Brrrrr !“
    Happy und Whisky besannen sich auf ihr Alter und gaben schnaubend die Verfolgung auf. Der flotte Heino suchte sein Heil im Absprung, ehe die beiden es sich wieder anders überlegten, und landete zitternd im Schoß der gut gepolsterten Frau Bürgermeister, die unter ihm zu Boden ging. Vom Tonband dröhnte jetzt leichte Kavallerie , die Ponys rasten weiter im Kreis. Florian sah entsetzt, wie Arme und Beine seiner Nico zappelnd gen Himmel gereckt waren, während Bettina versuchte, zu Bille vorzurobben. In der nächsten Kurve kam der Wagen ins Schleudern, rutschte hinten weg und räumte drei Parkuhren, einen Zeitungsständer und ein halbes Dutzend Lorbeerbäumchen ab.
    „So helft uns doch, verdammt noch mal!“ schrie Bille zwischen Wut und Verzweiflung in die aus Einfahrten und Türen gaffende Menge. „Ist denn keiner hier, der...“
    Sie hatte noch nicht ausgesprochen, als sich aus der Menschentraube, die das Kaufhausportal verstopfte, eine mächtige Gestalt löste. Bille erkannte aus den Augenwinkeln den gewaltigen Schnauzbart und die vollmondhelle Glatze Ignaz’ des Schrecklichen. Er ließ ein paar Einkaufstüten fallen, trabte an, gewann Tempo und schnellte, als die Ponys an ihm vorbeischossen, mit einem gewaltigen Schwung einem Torpedo gleich durch die Luft, um auf dem Rücken des ahnungslosen Zottel zu landen. Mit einer Hand umklammerte er Zottels Nase und drückte sie nach unten, die andere griff nach den Zügeln der Vorderpferde, und nach ein paar wilden Bocksprüngen war das Vierergespann angehalten. Schweißbedeckt und schnaubend standen die Ponys im Schatten des Festzeltes still. Ignaz der Schreckliche rutschte von Zottels Rücken und ging zu Lucky und Rumpelstilzchen vor. Seine großen Hände fuhren so lange gleichmäßig streichelnd über die zitternden Körper der Ponys, bis sie sich völlig beruhigt hatten. Dabei sprach er zu ihnen wie zu kleinen Kindern.
    Bille fühlte sich wie eine Achtzigjährige, als sie steifbeinig vom Kutschbock kletterte und zu Zottel und Bongo stakste, um die beiden zu trösten und zu streicheln. Schlapp und mit zitternden Knien hing sie an Zottels Hals. Um die Kutsche herum bildete sich bereits wieder ein dichter Ring Neugieriger. Einige applaudierten.
    „Idioten!“ zischte Bille fast unhörbar.
    „Nein“, widersprach Ignaz der Schreckliche. „Das war eine Meisterleistung! Daß du sie auf dem Rundkurs gehalten hast — sie hätten genausogut in die nächste Schaufensterscheibe rasen oder das ganze Festzelt zum Einsturz bringen können! Komm, ich bringe euch erst mal hier weg.“

Wunderdoktor Johnny

    Ignaz der Schreckliche nahm Rumpelstilzchen beim Zügel und führte den Viererzug vom Platz. Die Menschenmenge wich vor ihm zurück und schloß sich hinter der Kutsche zu einer dichten Mauer zusammen, einer Mauer mit hundert Gesichtern, gierig gereckten Hälsen, Augen, hungrig auf eine Sensation.
    „Meine Großmutter würde sagen: ,Haltung , mein liebes Kind!’“ Bettina rappelte sich auf und begann die Trümmer zusammenzuräumen. „Los, Nico, laß uns wenigstens noch einen überzeugenden Abgang zustande bringen!“
    „Mir ist schlecht.“
    „Das macht nichts.“
    „So“, sagte Ignaz der Schreckliche, als sie den Hof erreicht hatten. „Macht das Tor zu, und

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