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Sensation in der Manege

Sensation in der Manege

Titel: Sensation in der Manege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
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gemeinsam vor Luckys Box standen. „Sie quält sich von Tag zu Tag mehr, und der Tierarzt kann nicht feststellen, was ihr fehlt. Ich glaube, es ist besser, wenn wir sie von ihren Schmerzen erlösen.“
    „Du willst sie töten lassen?“ Es war wie ein erstickter Schrei. „Nein! Nein, Daddy, bitte, es muß doch noch eine Möglichkeit geben! Ich kann einfach nicht glauben, daß sie..., und ich bin schuld daran, das ist das Schlimmste.“
    Herr Tiedjen legte Bille den Arm um die Schultern und zog sie sanft an sich.
    „Ich weiß, wie dir zumute ist, Kind. Aber glaub mir, es ist das Beste so. Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen; von Schuld kann keine Rede sein, eher von einem unglücklichen Zufall. Aber es wäre unverantwortlich, sie länger als nötig leiden zu lassen.“
    Für den Rest des Tages sprach Bille kein Wort mehr. Wie eine Schlafwandlerin ging sie durch Hof und Ställe, machte ihre Arbeit, longierte und ritt, half beim Füttern und Putzen aber in ihrem Kopf hatte nur ein Gedanke Platz: Lucky darf nicht sterben! Lucky muß gesund werden!
    Spät am Abend klopfte Bille an Johnnys Zimmertür.
    Der Indianer lag, erschöpft von zwölf Stunden ununterbrochener Arbeit, angezogen auf dem Bett, die Füße mit den dreckverkrusteten Stiefeln auf die hölzerne Rückwand des Bettes gestützt, die Augen geschlossen.
    „Johnny? Darf ich dich einen Augenblick stören? Ich muß mit dir reden!“
    Der Indianer fuhr hoch und setzte sich schlaftrunken auf.
    „Oh, du bist’s ! Entschuldige, Mädchen, ich war nur ein bißchen eingenickt, wollte einen Augenblick verschnaufen. Hab so Schwierigkeiten mit meinen Füßen bei dem Wetter. Warte, ich mach uns einen Tee.“
    „Du arbeitest viel zuviel! Höchste Zeit, daß Achmed zurückkommt. Bleib sitzen, den Tee mache ich, dabei können wir uns unterhalten.“
    Bille setzte Wasser auf und holte die Teekanne und die Becher aus dem Regal.
    „Es geht um Lucky“, sagte sie bedrückt. „Daddy will sie töten lassen, weil sich ihr Zustand nicht bessert. Ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen...“ Das Schluchzen, das seit Stunden wie ein Brocken in ihrer Kehle steckte, brach heraus.
    „Er will sie töten lassen? Aber das ist doch…“
    Johnny war mit einem Schlag hellwach.
    „Du lieber Himmel, ich habe mich viel zuwenig um sie gekümmert! Wußte ja vor Arbeit nicht, wo mir der Kopf stand. Nein, das ist unmöglich, das dürfen wir nicht zulassen. Der Teufel hole alle Ärzte, jetzt werden wir die Sache in die Hand nehmen. Komm!“
    „Was willst du tun?“
    „Mit ihr sprechen. Hätte ich längst tun sollen. Hab viel zu lange dem Tierarzt geglaubt. Man weiß ja, so eine Entzündung im Bein, das braucht seine Zeit, da muß man Geduld haben. Aber wenn die Sache so ist... Komm mit, den Tee können wir später trinken.“
    Bille folgte dem Indianer in den Stall. Er hatte das Licht nicht angeschaltet, sicher wie eine Katze bewegte er sich durch die Dunkelheit.
    „Schließ die Stalltür ab, wir können keine Störung gebrauchen. Um diese Zeit kommt zwar niemand, aber sicher ist sicher.“
    Bille gehorchte. Der Indianer wartete, bis sie die Tür verschlossen hatte, dann trat er zu Lucky in die Box.
    „Setz dich da drüben hin. Und misch dich nicht ein, kein Wort, hast du verstanden?“
    Bille nickte stumm. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das Dunkel. Der Mond sandte einen schmalen Lichtstreifen durchs Fenster, er streifte den Kopf der Stute und malte eine kleine Lichtinsel ins Stroh neben ihr. Genau hier ließ sich der Indianer mit gekreuzten Beinen nieder, wandte sein Gesicht dem Mond zu und schloß die Augen. Bille kauerte sich in ihrer Ecke zusammen und beobachtete, wie sein Gesicht sich veränderte, einen Ausdruck bekam, so fremd und entrückt, daß ihr Herz hart zu klopfen begann. Eine ganze Weile saß er da, wie in tiefer Trance, dann fingen seine Lippen an unhörbare Worte zu formen, und schließlich begann er zu singen. Eigenartige, nie gehörte Töne hingen in der Luft, die von sehr weit her zu kommen schienen. Bille fühlte sich schwindlig und wie benommen.
    Lange sang der Indianer. Billes Rücken schmerzte, ihre Beine waren eingeschlafen, aber sie wagte sich nicht zu rühren. Endlich schwieg Johnny, sein Kopf wandte sich der Stute zu, er sah ihr in die Augen. Wie bittend hatte er ihr die offene Handfläche hingestreckt, und Lucky legte ihr weiches Maul hinein, als wolle sie sich bei ihm aufstützen. So verharrten die beiden regungslos.

    Bille schien es

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