Sensation in der Manege
erwartungsvoll an.
„Na?“
„Na du? Wie läuft’s?“
„Ganz gut. Und bei euch?“
„Wie erwartet“, sagte Bille. „San Pietro hat noch keine Manieren, teilweise führt er sich auf, als käme er aus dem Urwald und hätte noch nie ein anderes Pferd gesehen. Aber sonst bin ich zufrieden.“
„Klar doch.“
„Ich sitze auf Warteposten“, sagte Tom. „Hab mich ja nur fürs L-Springen gemeldet. Wollte vorhin mal nach dir schauen, aber da warst du gerade raus.“
„Kann man nichts machen.“
Florian schaute von einem zum anderen, als warte er auf etwas. Dann zuckte er mit den Achseln und wandte sich zur Tür.
„Also dann, bis später.“
Wenn San Pietro auch in der Dressur nicht gerade geglänzt hatte, die Tatsache, daß er eine Neuerwerbung Hans Tiedjens war und von Sibylle Abromeit geritten wurde, hatte sich schnell herumgesprochen. So kam es, daß der Zuschauerraum bis auf den letzten Stehplatz besetzt war, als Bille im A-Springen mit ihm startete.
Au weia ! dachte sie, als sie vergeblich versuchte, den Wallach vor dem Richtertisch für einen Augenblick zur Ruhe zu bringen. Das kann ja heiter werden!
Die Glocke erklang, und San Pietro schoß los wie eine Rakete. Bilder einer Fernsehsendung flogen durch Billes Bewußtsein: afrikanische Springböcke auf der Flucht; so kam ihr San Pietro vor, als er über die Hindernisse hetzte. Auf der Zuschauertribüne wurde gemurmelt. „Wahnsinnstempo“ und „So was gibt’s doch gar nicht!“
Egal, dachte Bille, null Fehler bisher, null Fehler, soll er doch rennen! Solange er alles oben läßt, will ich für diesmal nicht kleinlich sein.
Das vorletzte Hindernis kam. Bille begann zu frohlocken. Er schafft es ! Er schafft es leicht, wer hätte das gedacht — er könnte genausogut das M-Springen machen. Es ist eine Spielerei für ihn! Null Fehler, und der Schnellste ist er obendrein! Und es macht ihm auch noch Spaß!
Das letzte Hindernis. San Pietro drückte ab wie zu einem Zweimetersprung, Bille hätte sich nicht gewundert, wenn er vor lauter Lebenslust begonnen hätte zu wiehern. Das war’s. Geschafft! Bille ließ die Zügel locker und entspannte sich.
Das hätte sie nicht tun sollen. Denn ehe sie recht begriff, was geschah, legte San Pietro sich in die Kurve und ging den Parcours von neuem an. Erstes Hindernis — zweites — drittes — jetzt die Kombination — ehe Bille zu sich gekommen war, hatte San Pietro den halben Parcours ein zweitesmal hinter sich gebracht. Feuerrot im Gesicht parierte sie den übermütigen Wallach zum Schritt durch und verließ die Bahn. Die Zuschauer lachten und applaudierten.
„Nummer achtundzwanzig..., Sibylle Abromeit..., disqualifiziert wegen Ungehorsam des Pferdes!“ knarrte der Lautsprecher dazwischen.
„Was für ein Pferd! Aus dem kann noch was werden!“ murmelte der nach ihr kommende Reiter bewundernd.
Tom kam ihr entgegen, Lachtränen in den Augen, und nahm ihr die Zügel ab, während Bille — immer noch verwirrt und kopfschüttelnd — aus dem Sattel sprang.
„Hast du das gesehen? So was ist mir noch nie passiert!“
„There is a first time for everything“, bemerkte Tom weise. „Mach dir nichts draus!“
„Also, ich weiß nicht...“ Bille schaute San Pietro prüfend in die Augen. „Ich hab doch mal gelernt, das Pferd sei ein Fluchttier und käme freiwillig nie auf die Idee, über ein Hindernis zu springen. Es wäre nur durch Dressur und Zwang dazu zu bewegen. San Pietro — wußtest du das nicht? Hast in der Schule nicht richtig auf gepaßt, wie? Mann, wenn das Daddy hört!“
Für Gesprächsstoff auf dem Turnier in Sassenholm war gesorgt. In allen Ecken wurde das ungeheure Ereignis besprochen. Welch ein Pferd hatte Hans Tiedjen da erworben! Stimmte es, daß es aus eigener Zucht stammte? Vielleicht hatte man eben einen zukünftigen Olympiasieger gesehen? Der Wallach hatte Weltklasse! Und daß die sonst so sichere Bille Abromeit ihn nicht hatte halten können..., wie war das überhaupt passiert?
Daß Bille eine Stunde später mit Black Arrow das L-Springen gewann und Tom mit Troilus den vierten Platz belegte, war gar nicht mehr interessant. Alles drehte sich nur noch um San Pietro und seine Sondernummer.
Über alldem hatten sie Florian vollkommen aus den Augen verloren. Umdrängt, mit Fragen bestürmt, von Neugierigen verfolgt, fiel er ihnen erst wieder ein, als sie mit dem Verladen beginnen wollten. Florentine, die beim Einsteigen keinerlei Schwierigkeiten machte, mußte zuerst in den Wagen,
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