Sensation in der Manege
Wallach auf munternd den Hals. „Zeig dich des Vertrauens würdig! Wir erwarten große Dinge von dir!“
Wenn San Pietro geglaubt hatte, er würde unter Bille ein ebenso leichtes Leben haben wie bei seinem vorigen Reiter, so sah er sich jetzt getäuscht. Bille absolvierte ein Dressurprogramm mit ihm, daß sein Fell nach einer Stunde fast schwarzbraun glänzte vor Schweiß.
Nach ein paar Gehorsamssprüngen war er entlassen, und Bettina kam herunter, um ihn trockenzureiten, während Bille, ebenfalls naßgeschwitzt von der Anstrengung, sich ihrem eigenen Pferd, Black Arrow, widmete.
„Ich bin sehr zufrieden mit euch beiden“, sagte Herr Tiedjen anerkennend. „Ich sehe, es war kein Fehler, San Pietro zu kaufen.“
„Den habe ich bald in Hochform!“ meinte Bille zuversichtlich. „Wir mögen uns, und wir passen prima zueinander, das spüre ich. Du, Daddy...“
Ja?“
„In zehn Tagen ist doch das Turnier beim Reitverein Sassenholm . Ich habe mich mit Black Arrow eintragen lassen, und Tom und Florian gehen auch mit. Was meinst du, kann ich San Pietro nicht mitnehmen und einen ersten Versuch mit ihm starten? Schließlich hat er ja schon einiges vorzuweisen, und wenn wir jetzt jeden Tag miteinander arbeiten... Er springt super, nur mit dem Gehorsam hapert es noch.“
„Warum nicht? Ein Versuch kann nicht schaden.“
So kam es, daß San Pietro zehn Tage später mit Troilus , Black Arrow und Florentine den Transporter bestieg und zum Turnier nach Sassenholm fuhr.
Für Florian war es ein besonderer Tag. Heute ging er zum ersten Mal mit seiner Florentine auf ein Turnier. Stundenlang hatte er sich mit ihrer Schönheitspflege beschäftigt. Kein Pferd, dessen Mähne so sorgfältig eingeflochten war, dessen Bandagen so vor Sauberkeit strahlten, dessen Zaumzeug und Sattel so blitzten und glänzten. Florian, mit einem weichen Lappen bewaffnet, bückte sich alle paar Meter, um einen Dreckspritzer von Florentines Hufen zu tupfen und geriet außer sich, wenn in der Nähe seiner geliebten Stute ein Auto durch eine Pfütze fuhr.
In der großen Reithalle folgte Prüfung auf Prüfung. Viel mehr Reiter, als man vermutet hatte, hatten sich zu diesem Wettbewerb gemeldet. Auf dem Hof wimmelte es von Reitern und Pferden, die Wiese hinter der Reithalle war von Transportern überfüllt. In der Meldestelle herrschte so drangvolle Enge wie in der Straßenbahn kurz nach Geschäftss chluß, und in der Kantine gab es allenfalls noch Stehplätze. In diesem allgemeinen Durcheinander war es schwierig, sich zu orientieren, wer wann an der Reihe war, und da sich die Groß- Willmsdorfer zu verschiedenen Prüfungen angemeldet hatten, verloren sie sich bald aus den Augen.
„Achtung, A-Dressur! Die Reiter der ersten Gruppe bitte bereit halten!“
„Das sind wir, Junge.“ Bille schwang sich in San Pietros Sattel. „Nun hör schon auf zu spinnen, ist ja gut!“
„Achtung bitte!“ plärrte der Lautsprecher weiter. „Folgende Reiter der E-Dressur werden in die Halle zur Siegerehrung gebeten...“
San Pietro liebte den Lärm und den Rummel um sich herum offensichtlich gar nicht, und Bille hatte Mühe, ihn einigermaßen zur Ruhe zu bringen. Zum Abreiten war wenig Platz, und sie war heilfroh, daß sie schon als zweiter Reiter in die Halle gerufen wurde. San Pietro erledigte seine Aufgabe zunächst sehr unkonzentriert, steigerte sich aber in der zweiten Hälfte beträchtlich. Das gab zwar keine Plazierung unter den ersten fünf, aber Bille war zufrieden, daß es ihr gelungen war, zu zeigen, was in diesem Pferd steckte.
Im Springen hoffte sie ein besseres Ergebnis mit ihm zu erzielen. Und wenn nicht, dann war es auch nicht schlimm, schließlich war sein Auftreten auf diesem Turnier ein erster Versuch, und sie selbst hatte immer noch die Möglichkeit, sich mit Black Arrow einen guten Platz zu sichern.
Einen Vorteil hatte San Pietros Versagen auf jeden Fall: Sie brauchte nicht auf die Siegerehrung zu warten und konnte sich endlich etwas zu essen besorgen. Sie brauchte dringend eine Stärkung.
In der Kantine fand sie Tom mit ein paar Reitern in ein Fachgespräch vertieft. Bille holte sich ein großes Schnitzel mit Salat und setzte sich dazu.
„Hast du Flori gesehen?“
„Nein, er müßte doch jetzt beim E-Springen dabei sein.“
In diesem Augenblick schaute Florian zur Tür herein. Er winkte kurz herüber, ging zum Automaten und zog sich eine Dose Cola heraus. Die geöffnete Dose in der Hand, kam er zum Tisch und schaute sie
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