Sepp und das Millionending
Schilderung so lebhaft bei der Sache, daß er seiner Phantasie die Zügel schießen ließ und oft drauf und dran war, sich zu vergaloppieren, wenn nicht Sepp immer wieder seinen Freund auf die richtige Bahn zurückgebracht hätte.
Als er geendet hatte, machte Flöhchen ein Gesicht wie eine saure Gurke.
„So ‘n Pech, daß ich nicht dabeigewesen bin! Aber wenn das Nest ausgehoben wird, dann mache ich mit!“
„Und wer paßt inzwischen auf unser Zelt auf?“ frotzelte Männe.
„Das kann ja mal ein anderer tun. Ich jedenfalls nicht wieder!“ Flöhchen zog eine beleidigte Schnute, als er das sagte, was Männe zu einem Grinsen veranlaßte.
„Wie wär’s denn zum Beispiel mit dir, Männe?“ fragte Willem, um den anderen herauszufordern.
Männe, der die Frage ernst nahm, brauste gleich auf: „Genausogut könnte ich dich fragen!“
„Kommt gar nicht in die Tüte! Wenn der Kerl sich wehrt, muß wenigstens einer dabei sein, der ihn k. o. schlägt. Und ich bin der Stärkste von uns, das willst du doch hoffentlich nicht bestreiten.“
„Bei einer Schlägerei sind wir noch lange nicht“, dämpfte Sepp das großspurige Gerede des dicken Willem, „und mit Sicherheit wird es auch gar nicht dazu kommen.“
„Das wollen wir doch mal sehn!“
„Wir spielen dabei überhaupt keine Rolle — oder höchstens ein ganz kleines Röllchen. Die Polizei wird den Mann festnehmen, und wir dürfen dabei zuschauen — wenn wir Glück haben.“
„Wenn alles glattgeht — ja“, räumte Willem ein. „Aber meistens geht etwas schief, und dann kommt unsere große Stunde! Der Mann in der Jagdhütte sieht nicht so aus wie jemand, der sich seelenruhig von der Polizei festnehmen läßt. Ich weiß nicht, irgendwie kommt mir der Kerl bekannt vor.“
„Sag nur noch, du hättest ihn irgendwo schon mal gesehen!!“ sagte Flöhchen zu dem dicken Willem.
„Ja und nein! Beschwören kann ich’s leider nicht, aber mein Gefühl sagt mir, daß ich den Mann kenne.“
„Jetzt spinnst du wirklich, Willem!“ tadelte Flöhchen. „Dein Gefühl...!“
„Vielleicht hast du in der Verbrecherkartei ein ähnliches Gesicht gesehen — damals im Polizeipräsidium?“ forschte Sepp, um Willem damit auf die Sprünge zu helfen.
Der dicke Willem überlegte, aber sosehr er auch die Stirn in Falten legte — er kam zu keiner Lösung. Ein bißchen hilflos und verzweifelt hob er nur die Schultern und meinte: „Daran habe ich auch schon gedacht, aber umsonst. Hoffentlich fällt es mir noch rechtzeitig ein. Ich meine, bevor wir mit dem Dorfpolizisten sprechen...“
Zu diesem Gespräch sollte es an jenem Abend jedoch nicht mehr kommen. Schuld daran war ein schweres Gewitter, das sich nach sieben Uhr rasch zusammenbraute und sich bereits eine halbe Stunde später mit lauten Donnerschlägen zu entladen begann. Fast gleichzeitig platschten die ersten dicken Regentropfen — anfangs noch so wenige, daß man sie fast zählen konnte, aber ihre Dichte nahm rasch zu. Sie quollen auf der Erde auseinander wie Tinte auf Löschpapier, vereinigten sich zu kleinen Rinnsalen und bildeten Lachen und Pfützen. Die Regentropfen, die in den Fluß klatschten, schienen erst noch einmal hochzuspringen wie ein Ball, ehe sie sich endgültig von der Strömung fortspülen ließen. Schlagartig hatten die schwarzen wasserschweren Wolken und der dichte graue Regenschleier eine Stunde früher als sonst die Abenddämmerung über das Land ausgebreitet.
Mißmutig kauerten und lagen die vier Freunde im Zelt zusammen, das nur durch die Taschenlampe an der Zeltstange beleuchtet wurde. Dumpf trommelten die Tropfen auf die gespannte Plane, plätscherten in die Regenrinne rings um das Zelt und flossen dann in einen schmalen Graben ab.
„Das hat uns gerade noch gefehlt!“ seufzte Sepp. „Bei dem Regen können wir nicht ins Dorf gehen zur Polizei. Dann wären wir aufgeweicht, ehe wir dort ankämen.“
„Vielleicht hört’s in einer halben Stunde wieder auf“, hoffte der dicke Willem.
Doch Männe wandte ein: „Danach sieht’s nicht aus.“
„Bei dem Wetter unternimmt die Polizei sowieso nichts, erst recht nicht bei Nacht“, erklärte Sepp. Flöhchen nickte ihm zu.
„Wenn wir morgen früh um acht Herrn Brackebusch alles erzählen, ist es immer noch Zeit genug. Und außerdem wird er das Wichtigste ja sowieso von seiner Frau vorher erfahren.“
Doch Willem wollte sich damit nicht zufriedengeben. Er war von einer inneren Unruhe erfaßt, die ihn zum Handeln trieb. „Ich warte
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