Sepp und das Millionending
zurück mit einem Stück Schnur in der Hand. Er lehnte sich erneut hinaus, packte den hin- und herschlagenden Laden und zog ihn zu. Mit der Schnur band er beide Hälften zusammen, dann schloß er das Fenster.
Nur für den Bruchteil einer Sekunde war bei diesem Vorgang das Gesicht des Mannes voll beleuchtet gewesen, aber diese kurze Zeitspanne hatte genügt, um den dicken Willem gewissermaßen in Alarmstufe I zu versetzen.
Das ist er — der Mann aus dem Museum! So schoß es ihm blitzschnell durch den Kopf, und mit einigen raschen Schritten lief er auf die Jagdhütte zu und duckte sich unter dem Fenster. Ein bißchen mulmig war es dem Jungen dabei doch zumute, als er dastand, abwartend und lauschend, ob der andere drinnen nicht Lunte gerochen hatte. Doch es geschah nichts, was darauf schließen ließ.
Da richtete sich Willem entschlossen auf. Von seinem vorigen Beobachtungsstand hatte er festgestellt, daß die beiden Läden nicht mehr dicht schlossen. Durch einen Spalt drang Licht nach draußen.
Wenn Licht nach außen fällt, so sagte er sich, dann muß man auch von draußen hineinsehen können. Der Junge hatte jedoch die Höhe des Fensters und seine eigene Größe falsch geschätzt. Es nützte auch nichts, daß er sich auf die Zehen stellte.
Steine her! dachte er. Steine oder sonst was, worauf ich mich stellen kann. Ich muß mich noch einmal genau davon überzeugen, daß der Mann der Museumsdieb ist!
Lautlos entfernte er sich wieder ein paar Schritte vom Blockhaus und suchte in gebückter Haltung den Boden nach dicken Steinen ab. Aber die Steine, die er fand, waren viel zu klein, und ein schwerer Brocken steckte so fest verankert in der Erde, daß er ihn nur mit einem Bagger hätte herausbuddeln können.
So ein Käse! schimpfte der dicke Willem in sich hinein. Sonst stolpert man über lauter Steine, und wenn man welche braucht, sind keine da. Aber zum Glück fiel ihm rechtzeitig etwas anderes ein: die leeren Büchsen in der Müllgrube!
Er brauchte nicht lange in dem Kehricht zu wühlen, bis er etwas Passendes gefunden hatte: zwei lange Dosen, in denen einmal Stangenspargel oder Frankfurter Würstchen gewesen waren.
Für jeden Fuß eine Dose, dachte der dicke Willem. Das klappt ja besser, als ich gehofft habe.
Die Blechbüchsen waren nur leicht angerostet und fest genug, das Gewicht eines Mannes zu tragen, der mehr wog als der dicke Willem. Froh wie über ein Geschenk trug der Junge die Dosen zu seinem Platz unter dem Fenster. Auf dem aufgeweichten, grasbewachsenen Boden suchte er zwei ebene Stellen aus, in die er die Büchsen leicht eindrückte. Dann stellte er sich darauf — erst vorsichtig auf die rechte, dann auch auf die linke Dose —, wobei er sich mit den Händen ans Fensterbrett klammerte, um das Gleichgewicht zu halten.
Der dicke Willem hätte vor Freude jauchzen mögen, als er feststellte, daß die beiden Büchsen genau die richtige Höhe hatten, um ihm einen Blick in die Hütte zu gestatten.
Was er durch den Spalt im Fensterladen erspähte, genügte ihm. Im Schein einer Petroleumlampe auf dem grobgezimmerten Tisch sah er den Mann dicht daneben auf einem Stuhl sitzen. Vor ihm stand ein Teller mit Fleisch, das Willem sofort als Kaninchenbraten erkannte, und daneben lag der Rest eines Brotlaibes. Es war dieselbe Brotsorte, die auch die vier Jungen immer kauften, seit sie an der Ahr zelteten.
Es ist überhaupt unser Brot! dachte der dicke Willem empört. Das Brot, das der Kerl uns gestohlen hat — genau wie die Rosinen und alles andere auch...
Der Mann hatte die Ellbogen plump und schwer auf die Tischplatte gestemmt und nagte an dem Knochengerüst des Kaninchenrückens. Die blanken Knochen der Hinterläufe waren auf dem Tisch verstreut.
Das alles nahm Willem auf den ersten Blick wahr. Was ihn jedoch mehr fesselte, war das Gesicht des Mannes, das jetzt vom Schein der Petroleumlampe hell beleuchtet wurde. Lange und abwägend prüfte er es, und seine Augen bohrten sich verbissen in jede Einzelheit hinein. Mal glaubte er fest, den Mann aus dem Museum vor sich zu haben — dann wieder stutzte er.
Die Gesichtspartie stimmt überein, grübelte der dicke Willem. Wenigstens im großen und ganzen. Man muß sich nur den Schnurrbart wegdenken. Den hat er damals noch nicht getragen — ja, gerade dieser Schnurrbart macht den Mann verdächtig! Es sieht so aus, als wolle er damit sein Gesicht unkenntlich machen. Wer sich aber tarnen will, der hat etwas zu verbergen! Und die Brille? Mit der Brille ist es
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