Sepp und das Millionending
genau dasselbe. In Wirklichkeit braucht der Mann überhaupt keine Brille. Im Museum damals hat er sicher aus demselben Grund eine Brille aufgesetzt, wie er sich jetzt einen Schnurrbart hat wachsen lassen: um sich unkenntlich zu machen!
Soweit war sich der dicke Willem mit seinen Gedankengängen und Schlüssen im klaren. Nur ein Problem bereitete ihm noch Kopfzerbrechen: der spärliche Haarwuchs des Mannes in der Hütte.
Der Mann im Museum hatte volles dunkles Haar, der Mann in der Hütte hat vorn fast eine Glatze, grübelte er. Es ist unwahrscheinlich, daß ihm in so kurzer Zeit so viele Haare ausgefallen sind. Es kann aber nicht jemand gleichzeitig dichten Haarwuchs und eine Glatze haben. Folglich ist der Mann in der Hütte doch nicht derselbe Mann wie der im Museum... Vielleicht der Bruder? Oder haben die beiden nur zufällig so eine verblüffende Ähnlichkeit? Oder habe ich mich vielleicht durch meinen Übereifer und durch meine Phantasie ins Bockshorn jagen lassen?
Willems Zweifel sollten jedoch schnell verdrängt werden! Denn mitten im Kauen stutzte der Mann plötzlich und lauschte angespannt. Jetzt hat er mich entdeckt! dachte der dicke Willem und überlegte blitzschnell, was er nun tun sollte.
Doch der Mann schien etwas anderes gehört zu haben als einen Lauscher vor dem Fenster. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr und stand auf. Mit ein paar raschen Schritten kam er aufs Fenster zu, blieb stehen und horchte erneut. Dann öffnete er es. Sicherlich wollte er auch den Laden aufstoßen, unterließ es aber fluchend, weil er sich offenbar klar darüber war, wie umständlich es sei, die Schnur auseinanderzuknoten, die er vorhin selbst mit Mühe zusammengebunden hatte.
Schon bei den ersten Schritten des Mannes war Willem flink von seinen beiden Büchsen gesprungen und an der Wand entlanggehuscht, wo er sich abwartend hinter der Ecke verschanzte. Selbst wenn der Mann den Laden geöffnet hätte, wäre der Junge nicht von ihm bemerkt worden, zumal sich die Augen des Mannes nicht so schnell von der Helligkeit in der Hütte an die Dunkelheit draußen gewöhnt hätten.
Willems Herz klopfte schneller vor Aufregung. Noch wußte er nicht, was den Mann zu diesem Verhalten veranlaßt hatte. Aber er wollte es herausfinden und huschte deshalb geschwind wieder zu seinem Beobachtungsposten zurück, als er hörte, wie der andere das Fenster schloß.
Der Mann war zum Tisch zurückgetreten. Unschlüssig nahm er das Bratenstück wieder in die Hand, warf es jedoch hin, als er feststellte, daß er die besten Fleischhappen längst abgenagt hatte. Ohne sich erst noch einmal hinzusetzen, schnitt er sich ein kleines Stück Brot ab und steckte es ganz in den Mund. Kauend wischte er sich mit dem Ärmel seines Pullovers das Bratenfett von den Lippen und ging zum Herd hinüber, wo an der Wand ein schmutziges Geschirrtuch hing. Mit diesem Tuch säuberte er sich die Hände. Dann wandte er sich zur anderen Seite, öffnete die Tür eines Einbauschrankes und holte einen Regenmantel heraus.
Als er ihn anzog, stockte dem dicken Willem fast das Herz: Es war der gleiche dunkelgraue Regenmantel mit Gürtel, wie ihn der Mann im Museum getragen hatte!
Noch einmal schaute der unheimliche Hüttenbewohner auf seine Uhr. Etwas schien nicht zu stimmen — das schloß Willem daraus, daß der Mann die Uhr ans Ohr hielt und dann verwundert den Kopf schüttelte.
Willem beobachtete weiter, wie der andere auf die Tür zustrebte und die Klinke hinunterdrückte. Aber noch bevor er sie öffnete, ließ er die Klinke wieder los und kehrte zum Tisch zurück, auf dem die Petroleumlampe stand. Er drehte den Docht zurück, bis die Flamme gerade noch flackerte. Es war ihm wohl eingefallen, daß der Ölvorrat zur Neige ging.
Dann wandte sich der Mann erneut dem Ausgang zu. Erst als er die Klinke berührte, merkte er, daß er die Tür verriegelt und gleichzeitig auch abgeschlossen hatte. Der große Schlüssel steckte von innen im Schloß.
Der Mann schob den Riegel zurück, drehte den Schlüssel herum und zog ihn ab. Als er die Tür nach innen öffnete und ihm der Wind den Regen entgegenschlug, stellte er den Mantelkragen hoch. Dann trat er hinaus, schloß von außen die Tür ab und steckte den Schlüssel in die Manteltasche.
Ehe er wegging, überzeugte er sich noch einmal, ob die Tür auch wirklich nicht von außen durch einen einfachen Druck auf die Klinke zu öffnen war.
Mit großen, weit ausholenden Schritten eilte der Mann davon.
Der dicke Willem verfolgte
Weitere Kostenlose Bücher