Sepp und seine Bande
die weite, lichte Eingangshalle direkt auf die Bronzebüste Ludwig van Beethovens zugeschritten und erst im letzten Moment nach links abgeschwenkt zur Tür des Direktorvorzimmers, wo er anklopfte. Auf das freundliche „Herein!“ der Sekretärin waren sie eingetreten, und nachdem Herr Dallmayer erklärt hatte, warum sie gekommen waren, hatte die Sekretärin Vater und Sohn ins Direktorzimmer geführt.
Der Direktor, der hinter seinem Schreibtisch hervorkam, war ein großer, kräftiger Mann mit einem gewinnenden Lächeln. Trotz seinen fünfzig Jahren und seinem grauen, schütteren Haar wirkte er sportlich, und tatsächlich spielte er auch immer noch regelmäßig Fußball in der Altherrenmannschaft des 1. FC Köln.
Rasch war die Aufnahme erledigt. Der Direktor stand auf, schüttelte seinem neuen Schüler die Hand und meinte:
„Freut mich, Sepp, daß du jetzt zu unserer Schule gehörst. Hoffentlich fühlst du dich hier genauso wohl wie in München.“
„Ich denk’ schon, Herr Direktor.“
Mit einem Händedruck verabschiedete sich der Direktor von Herrn Dallmayer und begleitete Vater und Sohn bis zur Tür. Von hier aus führte die Sekretärin Sepp zum Unterrichtsraum der achten Klasse, während sein Vater nach Hause zurückfuhr.
Sepp platzte mitten in den Englischunterricht hinein. Die Sekretärin begleitete ihn bis zur Wandtafel, wo Studienrat Dr. Pöttgen gerade unregelmäßige Zeitwörter anschrieb. Nach ein paar erklärenden Worten verließ sie den Klassenraum, nicht ohne Sepp noch einmal aufmunternd zugenickt zu haben.
Sepp blieb allein zurück in einer Klasse, in der ihm alles und alle neu und fremd waren.
Oder doch nicht alle...?
Als er eingetreten war — hatte da nicht jemand mit tiefer, brüchiger Stimme überrascht gebrummt:
„Mann, mich laust der Affe — das Baby mit dem Sepplhöschen!“
Die Stimme war Sepp bekannt vorgekommen. Doch wo hatte er sie nur schon früher gehört?
Er wollte in die Richtung schauen, aus der die Worte gekommen waren, aber das anschließende Gekicher der halben Klasse verwirrte ihn — Einzelheiten nahm er zunächst überhaupt nicht wahr. Er hatte nur das Gefühl, in einer Klasse mit rund fünfundzwanzig gleichaltrigen Jungen zu sein, die ihn alle anstarrten wie ein Wundertier.
Am liebsten wäre Sepp auf der Stelle wieder hinausgestürzt — der Sekretärin nach. Aber da legte ihm schon der Lehrer die Hand auf die Schulter.
„Soso, du möchtest also bei uns mitmachen?“ fragte er freundlich.
„Ja.“
„Wie heißt du denn, mein Junge?“
„Sepp Dallmayer.“
Ein Kichern ging durch die Klasse. Tadelnd blickte der Lehrer auf die Schüler.
„Was gibt’s denn da zu kichern? Sepp ist ein typisch bayerischer Name“, erklärte der Lehrer seinen Schülern und wandte sich dann wieder an den Neuen. „Nicht wahr, Sepp, du kommst doch aus Bayern?“
„Ja.“
„Das habe ich mir gedacht, gleich nach deinen ersten Worten. Typisch bayerisch! München...?“
Verwundert riß Sepp die Augen weit auf und druckste dann: „Ja — aber — aber ich spreche doch gar nicht bayerisch?“
Ein Gelächter der Klasse war die Antwort auf seine Frage, und dabei hatte sich Sepp doch alle Mühe gegeben, hochdeutsch zu sprechen! Diesen Vorsatz hatte er tags zuvor gefaßt, nachdem er erlebt hatte, wie sehr die Kölner Jungen ihn deswegen hänselten.
„Nun ja, der Grammatik nach ist es natürlich Hochdeutsch“, gab der Lehrer zu. „Aber trotzdem hört man heraus, daß du aus München stammst. Der typische Münchner Akzent klingt eben überall durch — genau wie bei uns der Kölner. Aber das macht nichts, mein Junge. Bald haben wir uns daran gewöhnt, dann fällt das niemandem mehr auf.“
„Ja, Herr Lehrer“, klang es wenig überzeugt. „Pöttgen heiße ich. Studienrat Dr. Pöttgen. Ich bin dein Klassenlehrer. Bei mir hast du Englisch und Deutsch. Verstanden.“
„Ja, Herr Dr. Pö-Pöchen.“
Die Klasse grölte, als habe Sepp den Witz des Jahrhunderts gemacht. Noch besser wäre es gewesen, wenn er statt Pö-pöchen Po-pöchen gesagt hätte.
„Pöttgen heiße ich!“ wiederholte der Lehrer deutlich und buchstabierte dann sogar noch seinen Namen: „P-ö-t-t-g-e-n! Wiederhole, Sepp!“
„P-ö-t-t-g-e-n!“ buchstabierte der Neue gleichfalls. Der Klassenlehrer nickte.
„Gut! Am Anfang wirst du’s vielleicht nicht so einfach haben. Manches ist dir ungewohnt. Aber ich denke, im großen und ganzen seid ihr in München im Unterricht genauso weit gekommen wie wir. Wenn
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