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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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Moschel rufen denn wie damals im Sechstagekrieg boomt das Familiengeschäft anstelle der Radios die mich nach Paris zum Studium schickten haben wir jetzt die Mobiltelefone PC Drucker Scanner Router und so fort die unsere Kamele und Frauen fett machen nur mit dem Unterschied dass dieser Krieg wohl noch sechs Jahre über sein offizielles Ende hinaus andauern wird und dass ich
    das gelehrte Nesthäkchen
    wieder bei meinem Stamm unterkriechen muss es war genau das was wir aufstrebende Intellektuelle und Akademiker einmal verachteten die Verberberung der modern sein sollenden Gesellschaft und nun geschieht es wieder und wir können nicht umhin uns in die letzten sicheren Netze fallen zu lassen immerhin
    treffen heutzutage E-Mails aus aller Welt ein und Hussein der wilde Pariser Maler aus dem ein nicht sehr glücklicher Galerist in Nantes geworden ist bestürmt mich mit Fragen zu unserem weißen blutgesprenkelten Fleck auf der Landkarte über den das Exil seine entsetzten Satelliten und unbemannten Sonden schickt zum Thema Moschel auf das ervon alleine kam weil er sich gerne an seine aufwändigen Karikaturen des geplagten Tarik erinnert über dessen Kopf die israelischen Mini-Jagdbomber schwirrten hat er nun noch die Geschichte von Dajans 87-jähriger Witwe beigesteuert die sich seit Jahrzehnten schon aufopfernd um Palästinenser in Israel und in den besetzten Gebieten kümmere
    die Guten leben doch länger oder: sich um etwas (die ANDEREN) zu kümmern bringt Langlebigkeit
    denke ich gerade und könnte mir vorstellen diesen Spruch als Vademekum an genau die Stelle zu hängen an der das wundersam entmaterialisierte Präsidentenporträt ein helles Rechteck über dem aufgesprengten und von Fußtritten verbeulten Metallschrank hinterließ Sami hätte mit seiner kalligrafischen Fertigkeit den Sinnspruch gestalten können seit Monaten sah ich ihn keinen Schriftzug mehr malen oder ist es seit Achmeds Tod den er miterleben musste ich
    habe drei Kriege mit heiler Haut überlebt aber
    meine Kinder wurden gebrannt
    jetzt werde ich zurückgehen näher an sie heran auch wenn mich dabei die Großfamilie mit ihren Umarmungen und Verwicklungen erstickt an nichts derartig Tribales (mein Stamm hat über 10 000 Mitglieder) dachten wir damals als frischgebackene smarte Jungärzte mit weißen Hemden und Sonnenbrillen vor unseren Fischgrill-Rosten im Club vergiss es
    atmen Sie durch machen Sie sich frei Herr Doktor draußen stinken die seit einem Jahr nicht mehr reparierten Abwasserkanäle (schreibt einen blauen Brief an die große amerikanische Firma die eine Milliarde dafür kassiert hat hier bis heute nichts zu tun) wir haben Cholera- und Typhus-Infektionen wie zu den fröhlichsten Embargo-Zeiten aber der neue strahlend weiße Giftmüllverbrennungsofen aus Cambridge, Massachusetts, bläst hinter der Klinik von Zafaraniya seinen Qualm beruhigend wie Marihuana über die Häuser wie ich vorige Woche bei einem Kollegenbesuch zur Kenntnis nehmen konnte
    Laila zu entlassen war das Schlimmste denn die Patienten kommen ja alle wieder in der ewig sich gleichenden Form der geschundenen Masse die von einem göttlichen Kittel unsterblich gemacht werden will (gib es zu dass du etliche von ihnen vermissen wirst gerade die Langjährigen die kein Geld mehr hatten und dir Geschenke brachten) als Laila sich vorgestern verabschiedete bot sie noch einmal an auch nach Wasiriyazur Arbeit zu kommen aber ihr dreimal die Woche den Weg durch die Raschid-Straße oder die Khulafa zuzumuten wäre nahezu verbrecherisch wo sind wir hingeraten mein Gott schicke uns etwas herunter wie
    den BRIEF den sie mir zum Abschied überreichte ein veritables
    Himmelswunder
    Sechsundvierzigjährig blass und ausdrucksvoll mit immer noch hoher fester Brust und beschwörenden kajal-umrandeten Augen allein durch die flachrückige Nase (man könnte sie brechen und mit ein paar Spänen vom Beckenknochen aufpolieren und – voilà! wer außer Ali kommt sofort auf einen so patenten Einfall) an den Schönheitswettbewerben ihrer Jugend gehindert so
    hätte sie mich zum Abschied beinahe umarmt was aber natürlich ungeheuerlich gewesen wäre und deshalb schwenkte sie einfach versehentlich aus als ich vor dem Karteischrank stand und boxte mit einer Brust gegen meinen Oberarm und schenkte mir
    den großartigen BRIEF VON HÖCHSTER STELLE und einen Haremsblick
    auf den ich stumm antwortete jedoch nur halb aufrichtig insofern die Verhaltung der Verhaltung möglich ist denn mein Gegenblick besagte wohl

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