Septimus Heap 04 - Queste
der feuerrot umrandeten Iris direkt in die leuchtend grünen Augen des Lehrlings blickte. Septimus streichelte seine samtige Nase und sagte: »Ich komme später wieder, Feuerspei. Sei brav.«
Der Drache legte sich vor den Zwinger und schloss die Augen. Dann begann das tägliche Vormittagskonzert: Zauberer um Zauberer knallte sein Fenster zu, um Feuerspeis grunzendes Schnarchen auszusperren, von dem der ganze Hof widerhallte.
Septimus sprang über Feuerspeis Schwanz, wobei er darauf achtete, dass er nicht über den Stachel an dessen Spitze stolperte. Dann durchmaß er den Hof und tauchte in den blauen Schatten des schönen, mit Lapislazuli ausgekleideten Großen Bogens ein. Dort blieb er kurz stehen, wie er es immer tat, und blickte die Zaubererallee hinunter. Er genoss noch immer das Gefühl, auf der Zaubererallee seiner eigenen Zeit zu stehen, der Zeit, in die er gehörte. Er atmete die regenfeuchte Luft ein, und als sein Blick die breite Straße entlangwanderte, erhaschte er am anderen Ende einen lila Farbtupfer. Er wusste, dass dies Marcia Overstrand war. Wie ein großes lila Segel blähte sich der Mantel der Außergewöhnlichen Zauberin im Wind, als sie durch das Palasttor schritt.
In Gedanken noch bei der Frage, was Marcia in den Palast führen mochte, kramte er in seiner Tasche nach einem Zettel und ging die Allee hinunter zum Manuskriptorium. Vor der Tür angekommen, die in Jillie Djinns neuer Erkennungsfarbe – einem Rosarot – gestrichen war, blieb er einen Augenblick stehen. Er spürte, dass er feindselig beobachtet wurde. Langsam drehte er sich um, und damit dem Beobachter nicht auffiel, dass er etwas bemerkt hatte, hob er den Fuß, als wollte er nachsehen, ob er in etwas getreten wäre. Gleichzeitig versuchte er, so gut es ging, einen Schutzschildzauber gegen den feindseligen Beobachter zu errichten. Während er die Schuhsohle kräftig an der Bordsteinkante scheuerte, wandte er den Kopf in Richtung des Beobachters. Zu seinem Erstaunen wurde sein Blick vom Palast angezogen. Verwirrt hörte er auf zu scheuern. Er musste sich irren. Im Palast war doch niemand, der so etwas tun würde. Sah er schon Gespenster? Was er jetzt brauchte, waren eine halbe Stunde in Beetles Gesellschaft und ein Becher Fruchtblubber.
Er stieß die Tür zum Manuskriptorium auf. Ping. Jillie Djinns Kundenzähler sprang auf sieben.
»Tag, Sep«, rief Beetle und sprang von seinem Stuhl auf.
»Tag, Beetle«, grüßte Septimus zurück.
»Das ging aber flott. So bald habe ich dich nicht erwartet.«
»Wie, du hast mich erwartet?«, erwiderte Septimus verdutzt und zog den Zettel aus der Tasche. Er war sorgfältig mit seinen schönsten Großbuchstaben in verschiedenen Farben beschrieben. »Ich brauche einen Platz in eurem Schaufenster.«
Beetle beguckte sich das Schaufenster des Manuskriptoriums, vielmehr das, was noch davon zu sehen war, und das waren nicht mehr als ein paar Quadratzentimeter. Der Rest verschwand hinter Bergen von Büchern, Heften, Schriftstücken, Handschriften, Pergamentrollen, Rechnungen und Quittungen, zwischen die allerlei andere Gegenstände geraten waren: alte Pasteten, Socken, Blasrohre, Mäusespeck (eine Süßigkeit, für die Beetle besonders schwärmte), Regenschirme und Wurstbrote, die von zerstreuten Schreibern dort abgelegt worden waren, um sogleich in dem Wirrwarr verloren zu gehen und nie wieder zum Vorschein zu kommen – obwohl bisweilen ein unangenehmer Geruch an sie erinnerte.
»Hast du nicht noch einen anderen Wunsch, den ich dir leichter erfüllen kann, Sep?«, fragte Beetle. »Wie zum Beispiel einen Alle-meine-Träume-werden-wahr-Zauber oder etwas Ähnliches?«
Septimus betrachtete den Zettel. »Sehr groß ist er ja nicht«, sagte er. »Kannst du ihn nicht irgendwo unterbringen? Es ist wirklich wichtig. Marcia droht damit, Feuerspei wegzugeben. Sie findet, dass ich zu viel Zeit darauf verwende, ihn zu versorgen, und meine Arbeit vernachlässige. Und da habe ich mir gedacht, wenn ich damit ...«
Er reichte Beetle den Zettel. »Drachenhüter gesucht«, las Beetle laut. »Unregelmäßige Arbeitszeiten, aber interessante Tätigkeit. Sinn für Humor von Vorteil. Bewerbungen an Septimus Heap, Zaubererturm.« Beetle prustete vor Lachen los. »Sinn für Humor allein wird nicht genügen, meinst du nicht auch, Sep? Wie wäre es damit: Sie brauchen Eisenfüße, eine unempfindliche Nase und sollten hundert Meter in zwei Sekunden laufen können – nur mal für den Anfang?«
Septimus sah geknickt aus.
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