Septimus Heap - Fyre
zerknitterten Zettel mit einer Liste aus der Tasche, zog ihn zurate und drehte dann, gewissenhaft abzählend, neun Räder bis zum Anschlag auf. Er überprüfte noch einmal die Liste, dann die Räder, ehe er zufrieden zurücktrat.
Ein roter Zeiger auf einer Skala verriet ihm, dass der Wasserspeicher mittlerweile fast voll war. Marcellus drehte an dem großen Rad und schloss das Schleusentor wieder. Dann warf er einen letzten Blick auf die Liste und verließ den Kontrollraum. Aufgabe erledigt.
Zwei Stunden später floss das Wasser durch den Kessel, und das Feuer trat in den langsamen, sanften Prozess des Lebendigwerdens ein. Erschöpft drückte Marcellus seinen Alchimieschlüssel in die Vertiefung an der unteren Feuerluke. Er musste daran denken, wie ihn Julius eines Tages, als sie beide schon alt waren, besucht hatte, ihm den Alchimieschlüssel zurückgab und sagte: »Ich vertraue dir, Marcellus. Ich weiß, dass du ihn nicht benutzen wirst.« Und er hatte ihn tatsächlich nie benutzt.
Bis heute.
Romilly und Partridge waren längst an ihre Arbeit zurückgekehrt, aber Beetle war noch in den Gewölben und beobachtete die Lebendkarte – was auch immer unter die Eistunnel gegangen war, musste auch wieder heraufkommen. Sein Magen knurrte, und wie auf ein Stichwort streckte Foxy, der Erste Charm-Schreiber, den Kopf zur halb geöffneten Tür herein. Beetle schaute auf.
Marcellus kletterte durch die untere Feuerluke. Wieder bildete er auf der Lebendkarte dessen, was darunter liegt einen Leuchtpunkt .
»Tada!«, rief Foxy. »Sandwich mit Würstchen!« Er legte ein sauber in Papier eingewickeltes Päckchen neben Beetles Kerze. Es duftete köstlich.
Marcellus schloss die untere Feuerluke und begann zu klettern – schnell.
»Danke, Foxy«, sagte Beetle und schaute wieder auf die Karte, aber seine Augen, müde vom langen Starren, waren nicht mehr scharf genug, um das Erscheinen von Marcellus als kleinen Leuchtpunkt zu entdecken. Vielmehr schielte Beetle sehnsüchtig nach dem Würstchen-Sandwich. Jetzt erst merkte er, wie hungrig er war.
»Ich packe es für dich aus«, erbot sich Foxy. »Ich möchte keine klebrigen Flecken auf der Lebendkarte.«
Beetle blickte wieder auf die Karte.
»Etwas entdeckt?«, fragte Foxy.
»Ja … ich glaube …« Beetle deutete auf den leuchtenden Marcellus, der nun plötzlich wieder sichtbar war.
Foxy beugte sich vor, und seine Hakennase warf einen Schatten auf den Leuchtpunkt.
Marcellus erreichte die obere Feuerluke.
»Weg da, Foxy«, sagte Beetle gereizt. »Du stehst im Licht.«
»Oh, entschuldige.«
Beetle schaute auf. »Entschuldige, Foxy. War nicht so gemeint. Danke für das Sandwich.«
Marcellus war durch die obere Feuerluke gestiegen und auf der Lebendkarte nun nicht mehr zu sehen.
Beetle biss in sein Würstchen-Sandwich.
Und in den Tiefen erwachte das Feuer zum Leben.
* 2 *
EINE WEISSE HOCHZEIT
Die große Kälte hatte Einzug gehalten und die Burg unter einer dicken Schneedecke begraben.
Es war ein sonniger Spätnachmittag, und aus eintausend Schornsteinen stiegen in der windstillen Luft bleistiftdünne Rauchsäulen in den Himmel. Eine Menschenmenge säumte die Zaubererallee und sah sich einen Hochzeitszug an, der auf dem Weg vom Großen Bogen zum Palast war. Immer wieder reihten sich Zuschauer hinten ein, wenn der Zug an ihnen vorübergezogen war, und folgten ihm, wobei sie sich über das junge Paar unterhielten, das soeben in der Großen Halle des Zaubererturms getraut worden war: Simon und Lucy Heap.
Simon Heap, die strohblonden Locken zu einem ordentlichen Pferdeschwanz gebunden, trug eine neue blaue Robe – was ihm als Sohn eines Gewöhnlichen Zauberers an seinem Hochzeitstag gestattet war. Die frisch gefärbte Robe leuchtete und war mit traditionellen weißen Hochzeitsbändern geschmückt, die hinter ihm herflatterten. Lucy Heap (geborene Gringe) trug ein langes, fließendes weißes Wollkleid, das sie selbst gestrickt und mit rosa Pelz besetzt hatte. Quer über den Rock hatte sie in Blau und Rosa liebevoll in schnörkeliger Schrift die Buchstaben S und L gestickt. Ihre Mutter hatte dagegen protestiert mit der Begründung, dies zeuge von schlechtem Geschmack, und ausnahmsweise einmal dürfte Mrs. Gringe in einer Geschmacksfrage recht gehabt haben. Aber es war Lucys großer Tag, und was Lucy wollte, das tat sie auch. Nichts Neues also, wie ihr Bruder Rupert bemerkt hatte.
Auf dem Weg zum Palast stapfte die Hochzeitsgesellschaft durch frisch
Weitere Kostenlose Bücher