Seraphim
Waffe auf dem Boden gelandet war. Nun sah er zu, wie die Büttel Pömer die Hände auf den Rücken zwangen, dann ging er langsam zu Sterner.
Johannes presste die Lippen zusammen und wandte sich wieder Pömer zu, unsicher, wie er diesem Mann begegnen sollte, der alldiese Menschen auf dem Gewissen hatte. Er verspürte den starken Drang, sich zu erleichtern. »Du hast dich sehr verändert.«
»Das war Absicht«, erklärte Pömer. Er verzerrte den Mund zu etwas, das mehr an die gefletschten Zähne eines Raubtieres erinnerte als an ein Grinsen. Johannes begann zu frieren.
»Du hast das alles hier von langer Hand geplant?«
»Sicher!« Pömer kicherte leise. Das Kichern verlor sich im dritten Schlag des Gongs, und kaum war er verhallt, warf Pömer den Kopf in den Nacken und schrie voller Begeisterung: »Drei!«
Katharina bemerkte, dass Enzo Pömer gefangengenommen war, doch sie achtete kaum darauf. Sie sah zu, wie sich Hartmann Schedel über Richard beugte und ihn untersuchte, sah Arnulf neben ihm auf die Knie fallen.
»Er lebt noch!«, flüsterte der Medicus, und die drei Worte verursachten einen Wirbel der unterschiedlichsten Gefühle in Katharina. Wilde Hoffnung mischte sich mit Angst, mit Entsetzen und Trauer über die Qualen, die Richard empfinden musste.
Schedel zerrte sich seine Jacke vom Leib und riss beide Ärmel seines weißen Hemdes ab. Mit fliegenden Fingern schlang er sie als provisorische Verbände um die Flügel in Richards Rücken und drückte sie fest, um die Blutung zu stillen. »Wir müssen ihn hier rausschaffen, damit ich ihn behandeln kann.« Er drehte sich um und wollte Bertram einen Wink geben, als dieser metallische Ton zum wiederholten Male zu hören war. Diesmal horchte Katharina auf, und auch die anderen wurden aufmerksam.
»Was ist das?«, murmelte Schedel.
Katharina standen die Haare zu Berge, als Pömer anfing, schrill und höhnisch zu lachen. »Drei!«, schrie er. »Ihr habt so gut wie verloren, und ihr wisst es noch nicht!«
Arnulf legte den Kopf in den Nacken und starrte nachdenklich an die Decke. »Der Hahn!«, murmelte er. Im nächsten Moment sprang er auf die Füße.
Gleichzeitig erscholl ein schepperndes Geräusch, das in der Höhle ohrenbetäubend laut widerhallte: ein mechanisches Krähen. Ein Teil der merkwürdigen Konstruktion im hinteren Teil der Höhle begannsich zu bewegen, und jetzt erst erkannte Katharina, dass es sich um die naturgetreue Darstellung eines Hahnes handelte. Das Tier begann, mit den Flügeln zu schlagen, und schließlich senkte es den Kopf.
Und setzte damit eine weitere Mechanik in Gang.
Mit einem Quietschen begann sich ein Zahnrad zu drehen, und der Verschluss, der unten an dem großen Gefäß angebracht war, öffnete sich. In einem dünnen Strahl begann ein bräunliches Pulver aus dem Gefäß zu rinnen. Und verschwand in der Tiefe des ummauerten Lochs.
»Verdammt!«, fluchte Hartmann Schedel. Er machte Anstalten aufzustehen, doch auch die anderen hatten längst begriffen, was passierte, und so ließ er sich zurücksinken.
Alles Weitere passierte nahezu gleichzeitig.
»Hilf mir!«, brüllte Bertram den Löven an. Gemeinsam rannten die beiden zu dem Kübel, untersuchten den Verschluss. Der Henker zerrte an der Stange, die Mechanik und Verschluss verband. »Wir können es nicht zudrehen!«, rief er. Das Pulver rann langsam aber beständig immer weiter in die Tiefe. Bertram und der Löve stemmten sich mit den Schultern gegen die Beine der Konstruktion, um sie von dem Loch fortzuschieben. Erfolglos. Ludwig gab seinem Gefährten, mit dem gemeinsam er Pömer hielt, einen kurzen Wink, dann ließ er den Getreidehändler los und eilten den beiden Nachrichtern zur Hilfe.
Arnulf jedoch tat etwas gänzlich anderes. Mit langen Schritten kam er auf Pömer zu. Im Gehen zog er sein Schwert. Und setzte es dem Getreidehändler an die Kehle. »Wie hält man das auf?«, knurrte er.
Bertram tastete in einem quadratischen Loch herum, das sich seitlich am Hals des Gefäßes befand. »Es muss einen Schlüssel geben!«, schrie er.
»Wo ist das Ding?« Arnulf riss Pömers Gewand auf, tastete über seine Brust, aber erfolglos.
Pömer lachte ihm ins Gesicht. »Ihr habt verloren!«, wiederholte er, und er wirkte völlig gelöst und zufrieden dabei. Er blinzelte zweimal rasch nacheinander, dann sanken seine Schultern nach vorn. »Nein!«, wimmerte er mit der Stimme eines kleinen Kindes. »Nicht! Ich wollte dir einen Engel schenken, Mama! Das musst du mir glauben,einen
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