Setz alles auf Leidenschaft
Verstand.
Nachdenklich hob er den Kopf und blickte auf die holzvertäfelte Wand vor ihm.
Er streckte die Hand aus, drückte einen Knopf und beobachtete, wie die Holzverkleidung zur Seite glitt und den Blick auf eine riesige Glasfront freigab.
Geschäftig liefen die Menschen durch das Casino, versuchten ihr Glück an den Spielautomaten und – tischen und bemerkten nicht, dass sie beobachtet wurden. In bestimmten Bereichen des Casinos wurden sie außerdem abgehört. Mehr als einmal hatten die Überwachungsgeräte Gespräche aufgezeichnet, die besser unbelauscht geblieben wären. Aber für den Betrieb eines Casinos von der Größe des „Rolling Cascade“ hatten Monitore und verspiegelte Glaswände aus Sicherheitsgründen durchaus ihre Daseinsberechtigung.
Nicht alle Casinobesucher waren gekommen, um zu spielen. Leider gab es auch einige, die die Schwäche anderer gezielt ausnutzten, und auf diese Sorte Gäste konnte Ian sehr gut verzichten. Der große Überwachungsraum im dritten Stock war mit erstklassigen Sicherheitsexperten besetzt, die mithilfe von hundert Monitoren vierundzwanzig Stunden am Tag Aufsicht führten und sicherstellten, dass es keine Zwischenfälle gab.
Seit der großen Eröffnungsfeier verzeichneten Casino und Resort viele Buchungen von Menschen, die neugierig waren und sich das Resultat der umfangreichen Renovierungsarbeiten anschauen wollten. Sie fanden die Gerüchte bestätigt: Das vormals heruntergewirtschaftete Casino erstrahlte nun in völlig neuem Glanz. Eine Sonderausgabe des People Magazine hatte verkündet, dass das „Rolling Cascade“ Casino echte Las-Vegas-Atmosphäre an den Lake Tahoe gebracht hatte – und das auf allerhöchstem Niveau.
Ian stand auf, ging auf und ab und setzte sich schließlich auf die Schreibtischkante. Sein scharfer und abschätzender Blick war auf die Menschenmenge gerichtet. Es musste einen Grund dafür geben, dass er diese merkwürdige Anspannung verspürte. Der Eröffnungstag war ein voller Erfolg gewesen, und Ian war glücklich, dass ihm der Aufstieg zum Casinobesitzer so leichtgefallen war. Vorher hatte er als Kapitän ein Riverboat gesteuert, ein Ausflugsschiff auf dem Mississippi.
Nach ein paar Minuten wollte er sich abwenden – seine Intuition funktionierte wohl heute nicht –, als er sie sah.
Brooke Chamberlain.
Erschrocken sprang er auf. Was, zum Teufel, machte sie hier? Er entschied, dass er keine Zeit mit Rätselraten verschwenden wollte, und griff zum Telefonhörer. Der Sicherheitsmanager des Casinos meldete sich sofort.
„Ja, Ian?“
„Am südwestlichen Blackjack-Tisch steht eine Frau in einem taubenblauen Hosenanzug. Bitte begleite sie in mein Büro.“
Es entstand eine Pause, bevor der Sicherheitsmanager etwas erwiderte. Ian antwortete mit belegter Stimme: „Ja, ich
weiß, es ist Brooke Chamberlain.“
Er legte auf und ließ seine Gedanken wieder zu der Frau schweifen, der er einst beinahe einen Heiratsantrag gemacht hatte … vor ihrem Verrat. Er hatte sie zuletzt vor drei Jahren gesehen, bei der Hochzeit seines Cousins Dare in Atlanta. Sie war eingeladen worden, da sie einige Zeit als Polizistin für Sheriff Dare Westmoreland gearbeitet hatte. Ian hatte sie absichtlich nicht beachtet.
Aber diesmal lagen die Dinge wirklich anders. Sie war hier in seinem Revier, und er hatte vor, sie das spüren zu lassen.
Ian beobachtete sie.
Brooke war sich nicht sicher, von wo aus. Aber die FBI-Agentin in ihr wusste, dass zahlreiche Videokameras liefen. Sie waren so diskret platziert, dass sie zweifelte, ob die vielen Menschen, die begierig aufs Spielen und Wetten waren, sie überhaupt wahrnahmen.
„Entschuldigung. Miss Chamberlain?“
Sie drehte sich um und blickte in das Gesicht eines großen, kräftigen Mannes Ende vierzig mit blonden Haaren und dunkelblauen Augen. „Ja?“
„Ich bin Vance Parker, der Sicherheitschef des Casinos. Der Eigentümer, Ian Westmoreland, möchte mit Ihnen reden – in seinem Büro.“
Sie musste lächeln. „Gut, Mister Parker, gehen Sie bitte voran.“
Als Vance Parker sie zum Aufzug begleitete, betete sie, dass sie es schaffen würde, die nächsten zwei Wochen zu überleben.
Ian, der blicklos auf die Glaswand sah, hatte ihre Begegnung genau verfolgt. Als sie gehört hatte, wer der Eigentümer war, hatte Brooke nicht überrascht reagiert. Die Möglichkeit, dass sie nicht wusste, in wessen Casino sie war, konnte er damit vergessen. Sie hatte sich absichtlich in die Höhle des Löwen begeben, und er
Weitere Kostenlose Bücher