Sex and the Office
voll zu tun hatte. Tz, inzwischen glaube ich ihm das gern. Und die wenigen Male, die wir uns am Ende noch gesehen hatten, war ich es schließlich gewesen, die sich in Unkosten gestürzt und aufopferungsvoll die Zugreise ins heimatliche Rheinland angetreten hatte. Mistkerl . Aber zurück zu meinem Mitbewohner Max, der im Übrigen von sich behauptete, genauso asexuell wie ein Kastrat zu sein. Die helle Stimme war ihm zwar verwehrt geblieben, dafür verliehen ihm die schwarzen, bis zum Kinn reichenden Haare etwas von einem Boygroup-Sänger. Max fand diese Assoziation allerdings wenig schmeichelhaft, da ein Boygroup-Image seiner Ansicht nach überhaupt nicht zu seinem spirituellen Wesen passte. Max war es auch gewesen, der mich dazu überredet hat, zu dieser Wahrsagerin in Moabit zu gehen, die seiner Meinung nach qualifizierte Astrologin war. Ehrlich gesagt, hatte ich das von Anfang an für eine Schnapsidee gehalten. Ich gehöre nämlich weder zu den Leuten, die in Sternen oder einer Glaskugel nach dem Sinn des Lebens suchen, noch zu jenen, die sich Energiebilder an die Wand hängen, Erdungsmatten unter den Büroschreibtisch legen oder sonstigen spirituellen Spleens hingeben. Auch verstößt mein Zimmer gegen jegliche Feng-Shui-Regeln und ist vollgestellt mit Billy-Regalen und Antikmöbeln vom Flohmarkt.
»Was nicht ist, kann ja noch werden«, hatte Max gesagt und mir zum Einzug eine asiatische Winkekatze geschenkt. Unsere Wohnung lag im vierten Stock in der Torstraße, mitten in Berlins hipper Mitte. Eigentlich hatte ich mir etwas in Friedrichshain oder Kreuzberg suchen wollen, aber das Zimmer war erschwinglich, und ich konnte sofort einziehen. Max hatte einen sympathischen Eindruck auf mich gemacht, und wir hatten uns auf Anhieb gut verstanden. Die Wohnung war groß und sonnendurchflutet und hatte außerdem einen kleinen Balkon, auf dem Max ein paar Hanfpflanzen zog. Aber zurück zur Wahrsagerin. Während ihre Kids nebenan Hausaufgaben gemacht haben, hatte mir diese selbsternannte Magierin in ihrer mit Ethnokitsch dekorierten Altbauwohnung, in der mir der Geruch von ranzigem Patschuliöl in der Nase stach, aus der Hand gelesen. Keine zwanzig Minuten später war ich um stolze fünfundsechzig Euro leichter und um die Erkenntnis reicher, dass mein Leben schon bald mit Liebe und Erfolg gesegnet sein würde, wenn ich nur hart genug an mir arbeitete. Na toll, diese Prophezeiung hätte auf so ziemlich jede Singlefrau Mitte zwanzig zutreffen können, die, wie ich, geradewegs auf eine ernst zu nehmende Quarter-Life-Krise zusteuerte. Ebenso gut hätte sie sagen können, ich sei schon einmal unglücklich verliebt oder pleite gewesen. Trotz allem war mir einmal mehr klar geworden, dass es so nicht weitergehen konnte. Aber eine echte Paul lässt sich so leicht nicht unterkriegen! Der Weg nach oben, ihr wisst es selbst, ist nicht nur steinig, sondern auch schmutzig und voller Schlaglöcher – und ja, auch ich war auf einiges gefasst. Doch die nachfolgende Geschichte hätte ich mir selbst in meinen kühnsten Bürofantasien nicht träumen lassen. Dabei hatte doch alles so gut angefangen.
1
Es war ein Sonntagmorgen wie jeder andere, als ich in der Küche saß und beim Durchforsten der Stellenanzeigen auf folgende Ausschreibung gestoßen war:
Vielseitiges und spannendes Praktikum mit hoher Eigenverantwortung und großzügiger Vergütung in der Villa von George Clooney.
Na schön, das traf es nicht ganz, aber musste es denn gleich so lauten?
Junges, dynamisches Team sucht engagierte(n) und kompetente(n) Praktikant/in, ohne Scheu vor Überstunden. Vergütung: keine. Mindestdauer: sechs Monate .
Das roch ja förmlich nach Ausbeutung! Dabei wollte ich nichts weiter als ein Praktikum mit Aussicht auf einen einigermaßen passablen Job mit festem Gehalt, bezahltem Urlaub und eigenem Schreibtisch. War das denn wirklich zu viel verlangt? Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, da fiel mein Augenmerk beim Weiterblättern auf die folgende Ausschreibung eines deutschen Privatsenders, dessen Namen ich an dieser Stelle besser nicht nennen möchte:
Vergütetes Praktikum in der Redaktion NEWS direct im Ressort Kultur und Gesellschaft, mit Aussicht auf ein Volontariat .
Volltreffer, die Stelle war wie für mich gemacht! Offenbar waren meine Gebete doch noch erhört worden.
Voraussetzungen:
– PC-Kenntnisse . Hatte ich.
– Gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift. Ich setzte in Gedanken einen Haken darunter.
– Teamfähigkeit
Weitere Kostenlose Bücher