Sex and the Office
Absätze tragen müsse, ganz gleich, ob vor oder hinter der Kamera. Na schön, daran sollte es nicht scheitern. Davon, dass ich in den Dingern auch laufen sollte, ohne dabei auszusehen wie eine Bauchtänzerin, die eine Mingvase auf dem Kopf balanciert, war allerdings nie die Rede gewesen.
Das gläserne Gebäude, in dem sich der besagte Privatsender befand, lag in einer der teuersten Gegenden Berlins und war geradezu furchteinflößend imposant. Mit klopfendem Herzen betrat ich das Foyer und meldete mich beim Pförtner an. Komm schon, Charlotte, du schaffst das! Ich hatte in meinem kurzen Leben einfach schon zu viele Praktika absolviert und war der Meinung, wenn ich es schaffen würde, diesen Personalmenschen von mir zu überzeugen, wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich mir auch die Stelle als Volontärin geangelt hätte. Bald schon würde mein Leben mit Erfolg gesegnet sein, wenn ich nur hart genug an mir arbeitete.
Die Türen des Aufzugs öffneten sich im sechsten Stock. Ich atmete noch einmal kräftig durch und stakste, bewaffnet mit klugen Ratschlägen aus Handbüchern wie Eindruck schinden beim Vorstellungsgespräch , Wege zum Traumjob oder So klappt’s auch mit dem Chef auf das Büro des Personalleiters zu. Während ich auf meinen hohen Hacken noch etwas ungeübt über den Flur lief und dabei verstohlen das weibliche Personal beäugte, wurde mir bewusst, wie recht Max doch gehabt hatte. Ich hasste es, wenn er recht hatte, aber hier liefen tatsächlich alle in Stilettos herum. Das ständige Geklackere von Absätzen war hier ebenso Standard wie Kleidergröße 36. Dabei war ich in der Redaktion einer Nachrichtensendung und nicht bei einer Modezeitschrift. Zugegeben: Zu den Stilettos und der Bluse habe ich mich noch überreden lassen, aber Röcke waren nun wirklich nicht mein Ding. Benno Siebert saß halb auf seinen Schreibtisch gelehnt, blätterte meine Bewerbung durch und erwartete mich bereits.
»Guten Tag«, sagte ich beim Betreten des Büros, schüttelte ihm die Hand und nahm mit einem verunsicherten Lächeln auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz. Siebert, dunkles Jackett und Jeans, war ein rotwangiger Riese mit tief liegenden Augen, die so schauen konnten, als täte es ihm tatsächlich leid, wenn er einen langjährigen Mitarbeiter feuerte. Er warf einen erneuten Blick in meine Bewerbungsunterlagen. »Sieh an, Sie kommen aus dem Rheinland. Mädchen vom Lande, was?«
Obschon ich diesen ungeheuer originellen Satz nicht zum ersten Mal hörte, nickte ich freundlich. Der Personalleiter verschwendete kein Wort der Höflichkeit zu viel, stellte fast ausschließlich verfängliche Fragen und war stets auf einen belehrenden Ton bedacht. Dabei wanderte sein Blick immer wieder zu meinen schwarzen Stilettos. Ich linste unter meinem Pony zu ihm hinüber und fragte mich, ob dieser Mensch auch nur die geringste Ahnung davon hatte, was es hieß, den lieben langen Tag in diesen gemeingefährlichen Tretern umherzustolzieren. Wohl kaum. Ob er zu jenen Männern gehörte, die Wert darauf legten, dass ihre Ehefrauen High Heels beim Sex trugen? Ehrlich gesagt, wollte ich mir das lieber nicht vorstellen. Nach zwanzig Minuten, die einem Kreuzverhör gleichgekommen waren, hatte ich das Gespräch eigener Einschätzung nach ohne größere Patzer überstanden. Doch spätestens beim Verlassen von Sieberts Büro war es plötzlich wieder da: das schon vertraute Gefühl, das mir sagte, dass die ganze Sache für meine Verhältnisse entschieden zu rund gelaufen war. Irgendeinen Haken gab es immer, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Auf einmal hörte ich eine Stimme, die zu mir sprach: »Wir würden Ihnen gerne eine Chance geben, Frau Paul. Sie haben das Praktikum. Sie können nächste Woche anfangen.«
Ich war sicher, mir das nur eingebildet zu haben, nahm meine Unterlagen und legte mein routiniert wohlwollendes Macht-nichts-vielleicht-beim-nächsten-Mal-Lächeln auf. Gerade hatte ich mich zum Gehen gewandt, da zückte der Riese einen Kugelschreiber und bat mich um meine Unterschrift. Ich blickte mich um, doch hinter mir stand niemand. Verstohlen sah ich den Personalleiter an, um seine Worte zu verarbeiten, da ergriff meine Hand wie von selbst den Stift und unterschrieb, ehe Benno Siebert es sich noch einmal anders überlegen würde. Strike! Ich hatte den Praktikumsvertrag in der Tasche. Wie sich herausstellte, waren meine Themenliste sowie ein winzig kleiner Fake im Lebenslauf der Grund, dass die Wahl auf mich
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