Sex and the Office
aussah, war David allein gekommen, doch anstatt einen Fluchtweg auszukundschaften, beschloss ich, diese zufällige Begegnung zu nutzen, um ihm bei einem unverfänglichen Plausch zu demonstrieren, wie gut es mir ohne ihn ging. Ich zückte meinen Block und lief schnurstracks auf ihn zu. »Was darf’s sein?«, fragte ich und strich mir mit einer beiläufigen Handbewegung den Pony aus der Stirn.
David sah mich an, und seine Miene hellte sich auf. »Charly, seit wann …«
»Ist mein erster Tag heute. Ich dachte, ich schau mal, was das Leben außerhalb der Nachrichtenredaktion so zu bieten hat«, erklärte ich mit einem selbstbewussten Lächeln. »Was darf ich dir bringen?«
»Einen Burger, bitte.«
»Wie immer ohne Gurken, dafür mit extra Käse?« David erneuerte sein Lächeln und nickte, als plötzlich die Rothaarige auftauchte, mit der ich ihn neulich gesehen hatte. Ich spürte, wie mein Herz einen Schlag lang aussetzte, als sie neben ihm auf der Bank Platz nahm und sich an ihn schmiegte wie ein Kätzchen. Mir wurde schlecht.
»Anna, dass ist Charly – Charly, das ist Anna«, stellte David uns vor, worauf ich zu gerne verzichtet hätte. Ein- und ausatmen, ein- und ausatmen, befahl ich mir und nahm, ohne eine Miene zu verziehen, ihre Bestellung auf. War ja klar, dass diese Bohnenstange nur Salat aß.
Während ich die anderen Gäste bediente, schielte ich immer wieder zu dieser Anna hinüber, in der Hoffnung, in ihr bloß eine schlechte Kopie von mir erkennen zu können und somit den lebenden Beweis dafür, dass David mir noch nachtrauerte. Doch diese Anna hatte rein gar nichts mit mir gemein. Anna war größer, jünger und dünner als ich. Und dabei wirkte sie auch noch, als wäre sie sich ihrer Schönheit nicht im Geringsten bewusst. »Ich bin gerade bei ihm eingezogen«, erklärte sie und schenkte mir ein geradezu widerlich liebreizendes Lächeln, als ich David seinen Burger und ihr den Thunfischsalat servierte, der ihr hoffentlich eine Lebensmittelvergiftung bescherte.
»Oh, ihr seid schon zusammengezogen. Wie schön für euch.«
David lächelte ihr zu. »Ist doch Ehrensache, dass meine Halbschwester bei mir wohnt. Anna macht derzeit ein Praktikum in einer Fotogalerie und hat …«
»Deine Schwester?«, unterbrach ich mit einer Spur zu viel Entsetzen in der Stimme.
»Halbschwester«, korrigierte er und lächelte mich unverwandt an. »Was dachtest du denn?«
Während mein Gehirn die Information noch zu verarbeiten versuchte, griff meine Hand wie von selbst die Flasche Rosé vom Nachbartisch. Unter den Blicken der verärgerten Gäste, führte ich die Flasche zum Mund und nahm einen kräftigen Schluck. Danach ging es mir schon wesentlich besser. Ich starrte David und seine Halbschwester abwechselnd an und musste plötzlich laut lachen.
30
Die Glatze hatte für meine Gefühlslage wenig Verständnis gehabt und mich umgehend gefeuert. Entlohnt wurde ich für diesen halben Arbeitstag zwar nicht, hatte dafür aber die restliche Flasche Rosé mitgehen lassen. Ich hatte mich in diesem Café ohnehin fehl am Platz gefühlt, und obwohl mir ein Stein vom Herzen gefallen war, als sich Anna als Davids Halbschwester entpuppt hat, musste ich erkennen, dass mir Berlin einfach kein Glück brachte. Daran hatte selbst das Armband meiner Großmutter nichts ändern können, das ich inzwischen verscherbelt hatte. Sollte das blöde Ding doch jemand anderem Pech bringen! Andererseits: Hätte ich mir nicht in den Kopf gesetzt, zurück in mein heimatliches Kaff im Rheinland zu gehen, hätte ich es wohl kaum so eilig gehabt, mein Praktikumszeugnis in der Redaktion abzuholen. Und dann hätte ich am nächsten Morgen sicher nicht jenes Gespräch im Büro meines Chefs mit angehört, das meine gegenwärtige Lage in ein ganz neues Licht rücken sollte. Aber lasst es mich der Reihe nach erzählen …
»Schon gehört? Heute wurden die neuen Praktikanten eingestellt«, wusste Tobi, der an jenem Vormittag neben mir im Aufzug des Senders stand. »Dieses Mal sind es gleich drei.«
»Wie schön für die drei«, meinte ich und tat seinen Kommentar mit einem Achselzucken ab.
Er seufzte. »Charly, tut mir echt leid, wie das für dich gelaufen ist.«
»Ach was, kein Ding«, sagte ich mit einer herabspielenden Handbewegung.
»Nein, wirklich. Ich meine, du bist …«
»Danke, Tobi. Ich weiß deine Solidarität zu schätzen«, unterbrach ich. Die Worte waren mir schroffer über die Lippen gekommen als gewollt, doch war es denn wirklich nötig,
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