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Sex and the Office

Sex and the Office

Titel: Sex and the Office Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Sternberg
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Aftershaves in die Nase, als ich Augenblicke später jene Person über den Korridor davonschreiten sah, die ich in diesem Krankenhaus am allerwenigsten erwartet hätte. Dieser Anzug, diese Haare, dieser Gang und nicht zuletzt dieses Aftershave gehörten keinem Geringeren als Leon Wenzel. Er hatte einen Strauß Blumen in der Hand und trug wie immer einen Anzug. Wenn Blicke töten könnten, hätte dieser Mann jetzt zwei Löcher im Rücken. Es war das erste Mal, dass ich ihm nach meiner überstürzten Abreise aus Venedig begegnete, und obwohl ich noch immer sauer auf ihn war, behielt ich mein höfliches Lächeln bei und eilte ihm hinterher. Mir blieb keine Zeit für Eitelkeiten und gekränkten Stolz. »Herr Wenzel, so ein Zufall! Gibt es irgendetwas Neues wegen des Volontariats?«, platzte es aus mir heraus.
    Er beachtete mich nicht, sondern ging schnurstracks weiter. Meine Unterkiefer mahlten. Sprach ich vielleicht chinesisch? Kopfschüttelnd über sein ignorantes und ganz und gar kindisches Verhalten, legte ich einen Zahn zu, um ihn einzuholen, ehe ich plötzlich wie vom Donner gerührt stehen blieb. Moment mal, was hatte Leon Wenzel eigentlich hier zu suchen? Eine düstere Vorahnung beschlich mich, als ich mit angehaltenem Atem zusah, wie er mit dem Blumenstrauß auf Valeries Krankenzimmer zusteuerte. Wenn ich mich recht entsann, war mein ehemaliger Chef zur selben Zeit in der Schweiz gewesen, in der Valerie dort die neue Kollektion von FriendlyShoes präsentiert hat. Und ich hatte mich noch gewundert, warum Valerie auf meine Nachfrage, wie es in der Schweiz gelaufen sei, so ausweichend geantwortet hatte. Die Sohlen meiner Turnschuhe quietschten auf dem Linoleumboden, als ich über den Korridor sprintete, um Leon Wenzel einzuholen. »Sie sind der Kindsvater!«
    Er beschleunigte seinen Schritt, ohne sich nach mir umzudrehen.
    »Ich weiß Bescheid!«, rief ich über den Korridor. »Valerie hat mir von dem Kind erzählt!«
    Keine Reaktion.
    Ich holte ihn ein und packte ihn in meiner Wut am Arm – nur um im nächsten Moment so rasch von ihm abzulassen, als hätte ich an einen elektrischen Zaun gefasst. Ich formte meine Lippen, um etwas zu sagen. »Oh, Sie sind gar nicht Herr Wenzel«, brachte ich kleinlaut hervor.
    Der Mann war stehen geblieben und machte ein Gesicht, als handelte es sich bei dem Wort um einen ansteckenden Hautausschlag. »Was soll das werden? Stehen Sie unter Drogen?«
    Eine durchaus berechtigte Frage. »Entschuldigung, ich habe mich da wohl in etwas verrannt«, gestand ich und schenkte ihm ein missglücktes Lächeln. In diesem Moment wurde die Tür zum Schwesternzimmer aufgestoßen. Zu meinem Erstaunen trat eine junge, sonnengebräunte Krankenschwester heraus und fiel ihm überschwänglich um den Hals.
    Ups. Ich drehte mich um und schlich peinlich berührt zu den Aufzügen.

28
    Zwei Wochen später
    Nachdem ich kaum etwas anderes getan hatte, als stumpfsinnig durch das Fernsehprogramm zu zappen – wobei ich mir vorwiegend NEWS direct und Dokus über Nepal angesehen hatte –, gab ich mich schließlich geschlagen. Das musste aufhören. Genauso wie mein ständiges Starren zum Telefon, in der Hoffnung, es käme doch noch die erlösende Nachricht aus der Redaktion. Die Geschäftsführerin musste längst von ihrer Indienreise zurück sein, und ich beschloss, mir nichts mehr vorzumachen. Zutiefst frustriert lag ich auf meinem Bett und starrte mit einem Joint im Mund an die Decke. Das war’s, Frau Paul! Ich war wieder einmal aus dem Rennen. Weg vom Fenster. Arrivederci! Im Geschäftsleben galten die gleichen ungeschriebenen Gesetze wie nach ersten Dates: Je länger man auf einen Anruf wartete, desto geringer war die Chance, dass das Telefon noch klingelte. Offenbar war auch die Tatsache, dass Leon Wenzel ein gutes Wort für mich eingelegt hatte, vergebens gewesen. Nichtsdestotrotz hätte er wenigstens anrufen können. Doch leider war der einzige Anruf, den ich dieser Tage erhalten hatte, von meinem Bankberater gewesen, der mich freundlich darauf hingewiesen hat, dass ich wieder einmal meinen Dispo überzogen habe. Und die einzige Post, die für mich im Briefkasten gelegen hatte, war ein Schreiben der Berliner Polizei, in dem mir höflich mitgeteilt wurde, dass die Anzeige gegen Unbekannt eingestellt worden sei, wonach ich mein gestohlenes Fahrrad getrost abschreiben konnte. Nicht dass mich das überrascht hätte. Ich tat einen letzten, kräftigen Zug, dann drückte ich den Joint auf meinem Nachttisch aus

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