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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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aufrechterhalten; die Wahrheit nämlich war viel zu fantastisch, der Tagtraum eines Sensationsreporters. Dass ein Mann allein mit der Kraft seines Verstandes ein Feuer entzünden konnte oder ein anderer Gedanken ebenso einfach lesen konnte, wie er atmete; dass sich Tiere in Menschen verwandeln und Menschen die Realität mit einem einfachen
    Fingerschnippen ändern konnten, zum Beispiel, wenn sie eine Kugel aufhielten, Dinge sich anheben ließen, und die Erde nur mit einem Lächeln zum Beben brachten.
    All diese - wenigen - Menschen wie Dean und er, die unter der Schirmherrschaft einer international angesehenen Detektivagentur arbeiteten, waren durch eine Mission aneinander gebunden, durch ein Versprechen: anderen zu helfen, denen, die ihre Hilfe benötigten. Das Richtige zu tun, ganz gleich, wie schwierig es sein mochte, und vor allem: das Geheimnis zu wahren. Ihr eigenes Geheimnis zu schützen. Denn Dirk und Steele war ein Mittel, mehr als nur einer Art von Menschen zu helfen, den Begabten, den Einzigartigen. Und ohne diese Agentur, ohne ihren Schutz und ihren Zweck ...
    Wäre ich allein. Alle, die nicht zur Familie gehören, wären allein. Die Welt ist zu groß, es gibt zu viel Angst vor dem, wozu wir fähig sind, wenn die Wahrheit herauskommen würde.
    »Dean?«, fragte Artur, als sein Freund stumm blieb. Kurz schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, ob dies wohl die Nacht sein mochte, in der sie die Tradition brechen würden. Aber schließlich schüttelte Dean den Kopf und tippte sich an die Stirn.
    »Wir haben nicht viel Zeit. Die Vetters sind bereits in ihrem Wagen. Sie werden bald zu Hause sein.«
    Zu Hause. Artur erinnerte sich flüchtig an einen anderen Keller, eine andere. Glühbirne, die an ihrer Leitung pendelte, und an den kalten Stein, der immer Schmerz bedeutete, immer etwas weniger Menschliches war. Bitterkeit. Er fraß stets die Bitterkeit.
    Artur streifte sich den rechten Handschuh ab, unterdrückte die Erinnerungen und konzentrierte sich stattdessen auf seine früheren Überlegungen, dachte an die schlimmsten Erinnerungen seines recht beachtlichen Vorrates und wappnete sich mit altem Entsetzen gegen das, was ihn erwartete. Nur sehr wenige seiner Freunde kannten seine Bewältigungsmechanismen, und noch weniger schätzten sie. Artur dagegen wusste sie zu würdigen. Als Kind hatte er, an einem Ort, der diesem hier sehr ähnlich war, seine Entscheidung getroffen, eine Entscheidung, die den unausweichlichen Wahnsinn, der ihn erwartete, zugunsten eines anderen Wahnsinns aufschob: Nimm stets das Schlimmste von allem an. Bereite dich auf die Albträume vor, indem du sie schon vorher träumst.
    »Hast du etwas anderes im Haus wahrgenommen, bevor du dich auf die Vetters eingestimmt hast?«, fragte Artur. Er hatte bemerkt, dass sein Freund viel Zeit im Wohnzimmer und in der Küche verbracht hatte, wo er die Essenz der Familie aufsog, die hier gelebt hatte, und damit die erforderliche Verbindung geschaffen hatte, die es ihm erlaubte, Gegensätze und Menschen selbst über große Entfernungen hin wahrzunehmen. »Haben die Wände zu dir gesprochen?«
    »Nur flüchtige Blicke«, antwortete Dean. Er wusste, dass diese Frage nur einer Verzögerungstaktik folgte, das sah Artur an seinem Blick. »Aber seit dem Mord sind hier zu viele Menschen durchgegangen. Sie haben die Szenerie versaut, jedenfalls für meinen Kopf.«
    »Klar«, murmelte Artur. »Wie einfach wäre es gewesen, wenn ich hier aufgetaucht wäre, bevor sie wie eine Büffelherde hereingestürmt sind und alles niedergewalzt haben.« Sein Akzent war stärker als gewöhnlich; selbst in seinen Ohren klang sein Englisch beinahe unverständlich. Nur war ihm viel zu unbehaglich, als dass er sich dafür geschämt hätte. Er kauerte sich hin und hielt die ausgestreckten Hände mit den Handflächen über den blutverschmierten, klebrigen Boden. Warm war ihm unter seinem schwarzen Ledermantel, trotzdem zog er ihn nicht aus. Im Futter waren Futterale für
    Pistolen eingearbeitet, zusätzlich zu dem Schulterhalfter für seine ,22er, das er trug. Er hatte seine Waffen immer ganz gern in Griffnähe.
    »Wusste gar nicht, dass du ein Sherlock-Holmes-Fan bist«, sagte Dean, der das Zitat erkannte. Er schloss die Augen. »Wir haben noch zwei Minuten, höchstens.«
    »Das englische Original ist besser als die russische Übersetzung«, gab Artur zu. Er spürte, wie Dean lautlos näher kam, nahm die Wände und den Boden und das alte, dunkle Blut wahr, in dem die Moleküle der

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