Shadow Touch
interessieren, ob wir von den Eltern des Opfers engagiert worden wären. Wenn sie einen von uns auf ihrem Terrain erwischt, würde sie ihn an den Eiern in einer Zelle anketten.«
»Sehr hübsches Bild. Macht mich aber nicht sonderlich an.«
»Wir brauchen Zugang zu mehr Beweisen«, fuhr Artur fort und ignorierte Deans Einwurf. »Fesseln, Kleider vom Opfer, alles, was der Mörder berührt haben könnte. Vielleicht bekommen wir dann eine klarere Vision.«
»Tut mir leid. Der Fall ist zu spektakulär. Wir können nur um die freigegebenen Tatorte herumschleichen und uns zusammen mit den großen Nachrichtensendern in die Berichte der Gerichtsmediziner einhacken. Und zwar strengstens inkognito. Wenn wir zu viel Aufmerksamkeit erregen, werden Typen wie Braun anfangen, härtere Fragen zu stellen. Ich möchte nicht erklären müssen, wieso ich gelogen habe, als es um den Auftrag für die Ermittlung in dem Fall ging.«
»Gibt es immer noch keine Erklärung, warum dieser Fall so wichtig ist? Ich meine, abgesehen von den offenkundigen Gründen wie Leben retten und so weiter.« Dean warf einen
Blick in den Rückspiegel. Artur schaute sich über die Schulter. Aber es waren weder Scheinwerfer zu sehen noch irgendwelche anderen Anzeichen dafür, dass sie verfolgt wurden. Trotzdem konnte man nie vorsichtig genug sein. Wie die meisten Kollegen in der Agentur nahm Artur nichts für selbstverständlich, wenn es um seine persönliche Sicherheit
ging.
Roland knurrte; Artur glaubte, das Knacken von Bleistiften zu hören. »Wenn Nancy bestimmte Fragen nicht beantworten will, stellt man sie tunlichst auch nicht länger. Sie ist hier die Hellseherin. Wenn sie sagt, dass wir uns um etwas kümmern müssen, dann tun wir das auch.«
»Ein paar Hinweise wären aber ganz nett«, murmelte Dean. Artur stimmte ihm zwar zu, sagte aber nichts. Nancy war die eigentliche Macht hinter der Agentur, und dazu eine ihrer Gründerinnen. Vor langer Zeit hatten sie und ihr Ehemann eine kleine, geheime Gruppe von Psi-Leuten in etwas Größeres und Leistungsfähigeres verwandelt. Der Widerhall und der Einfluss dieser einen Entscheidung waren um die ganze Welt gegangen.
Was bedeutete, dass niemand Nancy widersprach, und zwar niemals. Nicht mal ihre eigene Familie, zu der über mehrere Ecken auch Roland gehörte. Sie war eine alte Frau in den Achtzigern, die jedoch nach wie vor Furcht auslösen konnte. Furcht, Respekt und sehr viel Ehrfurcht.
Bei Roland piepte etwas. »Ich muss Schluss machen«, sagte er. »Wohin fahrt ihr jetzt?«
»Nach Hause«, antwortete Dean, bevor Artur etwas sagen konnte. Seine Miene war entspannt, aber Artur entging das harte Funkeln in seinen Augen keineswegs, als er ihn mit einem kurzen Blick streifte. Artur wagte nicht, ihm zu widersprechen, nicht vor Roland.
»Gut«, meinte Roland. »Eigentlich hättet ihr heute sowieso frei haben sollen. Legt euch aufs Ohr. Vor allem du, Artur. Du siehst ...«
»Mies aus, ja, ich weiß.« Artur starrte finster auf das Telefon. Roland lachte.
»Schöpft neue Kraft, Jungs. Ihr solltet euch ausruhen, denn morgen erwartet euch ein höllischer Tag.«
Er legte auf. Artur sah Dean an. »Nach Hause?«
»Du kannst mich nicht erschießen«, erwiderte Dean. »Ich fahre.«
»Ich bin nicht sicher, ob mich das interessiert. Ich glaube, allein die Genugtuung würde mich schon am Leben erhalten.«
»Wie undankbar ... Abgesehen davon, was willst du denn nach heute Nacht noch tun? Die Jagd ist schon vorbei, Mann.«
»Wir könnten zu der Stelle fahren, an der Marilyn verschwunden ist, und versuchen, noch einen weiteren Eindruck zu bekommen.«
»Das haben wir doch längst gemacht. Und wir haben nichts gefunden. Schon vergessen?«
Artur runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht, warum dieser Mörder so schwer aufzuspüren ist. Normalerweise findet sich immer etwas.«
»He, du bist doch nicht plötzlich blind geworden oder so was. Wir wissen jetzt mehr als vorher. Immerhin haben wir eine Beschreibung. Ein anonymer Tipp an die Polizei über unsere Kontaktleute, und die Kugel rollt.«
Vermutlich hatte Dean recht. Die Fahrt in die Stadt zurück dauerte eine Stunde, und nachdem Dean den Freeway verlassen hatte, fuhr er in die ruhigeren Außenbezirke von Downtown. In der vornehmen Wohngegend standen viele alte Villen und entzückende viktorianische Häuser. Hier ließ es sich gut leben, aber heute fühlte es sich trotzdem dekadent an, wie das Privileg eines Mannes, der keinen Luxus verdient hatte, jedenfalls
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