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Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)

Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Shadowblade: Dunkle Fesseln: Roman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Pharaoh Francis
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für lange. Morgen Abend würde Selange ein Mitsommernachtskonklave abhalten. Jede Hexe, die westlich der Rocky Mountains einen Hexenzirkel ihr Eigen nannte, würde da sein und ihren Primus mitbringen. Seine Finger zuckten am Griff seiner Waffe, und langsam schob er die Pistole ins Halfter an seiner Hüfte zurück.
    Nachdenklich rieb er sich über den Kinnbart und starrte die Bäume an. Diese Sache war noch nicht vorbei. Er würde sie bei dem Konklave sehen, und das würde nicht schön werden. Selange duldete keine Eindringlinge auf ihrem Territorium, und sie würde wissen wollen, was für ein Interesse Max’ Hexe an der Wintergreisin und den Redcaps hatte. Er verzog das Gesicht. Eigentlich hätte Max ihn töten sollen. Es war dumm von ihr gewesen, das nicht zu tun. Sie hätte entkommen können, und niemand hätte erfahren, dass sie jemals hier gewesen war. Was hatte sie zurückgehalten?
    Aber er erinnerte sich an den verzehrenden Ausdruck in ihren Augen und wusste, warum sie es nicht getan hatte. Und ebenso wusste er, dass es keinen Platz für Gnade oder all die anderen Dinge geben würde, die unausgesprochen zwischen ihnen in der Luft hingen, wenn sie sich beim Konklave begegneten. Dann würde es Krieg geben.

    »Erzähl mir noch mal, was die Wintergreisin gesagt hat. Lass nichts aus«, befahl Selange. Ein schwacher französischer Akzent schwang in ihren Worten mit. Sie war seit über hundert Jahren in Amerika, und trotzdem haftete der Akzent ihr an wie ihr schweres Parfüm. In gerader Haltung saß sie hinter ihrem filigranen Schreibtisch, die langen Beine sittsam übereinandergeschlagen. Sie war klein, gerade mal um die eins fünfzig, und wog keine fünfzig Kilo. Und sie war eine der mächtigsten Hexen Nordamerikas. Sie bot ihm weder einen Platz noch eine Erfrischung an. Auf diese Weise tadelte sie ihn – für so vieles.
    Alexander musterte sie lange und sorgfältig. Ihr schwarzes Haar war zu einem glatten Bob geschnitten, der sich über den Schultern leicht nach innen wellte, und die Kante ihres Ponys bildete eine schnurgerade Linie auf ihrer Stirn. Ihr Gesicht war rund, und sie hatte die braunen Augen mit kräftigem schwarzem Eyeliner umrandet. Ihr Mund wirkte wie ein roter Schlitz in ihrem blassen Gesicht. Sie trug eine hochgeschlossene, ärmellose chinesische Jacke in Dunkelblau und Stilettos mit zehn Zentimeter hohen Pfennigabsätzen. Mit gefalteten Händen saß sie da und blickte Alexander unverwandt an.
    Es überraschte ihn, wie wenig er für sie empfand. Viele Jahre lang hatte er sie mit unbeirrbarer Hingabe verehrt, war von ihrer Schönheit, ihrer Macht und ihrem exotischen Charm fasziniert gewesen. Es hatte nichts gegeben, das er nicht für sie getan hätte. Sie hatte ihn in Zaubersprüche gehüllt, die ihn stark, schnell und tödlich machten – er war ein Gott unter den Menschen gewesen. Sie hatte ihm das Lesen und Schreiben beigebracht, ihm gezeigt, wie man sich richtig ausdrückte und sich richtig kleidete, und schließlich hatte sie ihm die ganze Welt zum Geschenk gemacht. Einfach alles hatte er ausprobieren wollen, und an jeden Ort hatte er reisen wollen. Er hatte sich wie ein Kind im Süßwarenladen gefühlt. Sein neues Leben war so prächtig und glanzvoll gewesen wie eine Berührung mit der Sonne. Damals wie heute fehlten ihm die richtigen Worte, um ihr seinen Dank für ihr Geschenk auszusprechen. Es war den Preis wert. Bereitwillig war er zu einer von Selanges Shadowblades geworden, und er hatte nie zurückgeschaut.
    Doch im Laufe der Jahre hatten die Dinge sich für ihn geändert. In ihm brannte nicht länger das unstillbare Verlangen nach Selange. Seine Leidenschaft hatte schon vor langer Zeit nachgelassen, und schließlich hatte sie seinen bereits abgekühlten Gefühlen vor vierzig Jahren den finalen Todesstoß versetzt. Nicht, dass er sie hasste. Er wusste nicht, ob seine Bannzauber das gestatten würden. Aber er vertraute ihr auch nicht mehr so blind wie damals, als sie ihn zum Shadowblade gemacht hatte. So brillant und mutig sie nach wie vor sein mochte, sie war auch eitel, missgünstig, selbstsüchtig und ehrgeizig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendetwas gab, das sie nicht tun würde, um mehr Macht zu erlangen. Auf jeden Fall hatte sie einige Grenzen überschritten, die ihn anwiderten – so sehr, dass er nach dem letzten Mal damit gedroht hatte, in die Sonne hinauszutreten, falls sie ihn erneut zwang, an derartigen Handlungen teilzuhaben. Und das war keine leere

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