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Shaman Bond 03 - Der Spion, der mich jagte

Shaman Bond 03 - Der Spion, der mich jagte

Titel: Shaman Bond 03 - Der Spion, der mich jagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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befreit, nahm die verbannte Dunkelheit Form in der materiellen Welt an.
    Ihre Form und Gestalt.
    So etwas nennt man eine Tulpa: eine fleischgewordene Vorstellung; ein Doppelgänger, der alle Impulse beinhaltet, die wir normalerweise unterdrücken. Und diese Tulpa ging hinaus in die Stadt, um all die schrecklichen Dinge zu tun, von denen diese Frau immer geträumt hatte, aber die sie nicht einmal sich selbst gegenüber zugegeben hätte. Sie rächte jeden winzigen Fehler, den man ihr je angetan hatte, und befriedigte ihren endlosen Appetit auf Blut und Metzelei.
    Ich forderte ein paar Gefallen ein, lernte ein paar neue Tricks und verfolgte die Tulpa quer durch halb London und zurück. Sie rannte vor mir weg, fluchte und lästerte und schubste jeden, der ihr in die Quere kam. Aber ich war ihr immer auf den Fersen und kam ihr immer näher. Ich konnte sie davon abhalten, wirklichen Schaden anzurichten oder Schrecken zu verbreiten, und schließlich tat sie das Einzige, was sie tun konnte: Sie ging nach Hause. Ich kam nur Minuten nach ihr an, trat die Haustür des netten kleinen Hauses ein und fand die Frau, wie sie über dem leblosen Körper der Tulpa stand. Sie hatte ihr eine Blumenvase über den Kopf gezogen.
    Sie sahen wirklich genau gleich aus. Die Frau kam zu mir und schmiegte sich in meine Arme. Sie schluchzte wie ein kleines Kind und versuchte verzweifelt, mir zu sagen, dass der Schrecken endlich ein Ende habe. Aber das war nicht der Fall, nicht, solange die Tulpa noch existierte. Sie musste sterben. Die Frau wehrte sich nicht. Aber sie konnte es nicht selbst tun. Sie konnte nichts töten, was so nach ihr selbst aussah. Sie flehte mich an, dass ich es tun solle. Die Tulpa töten und sie erlösen, endlich.
    Sie war wirklich sehr gut. Jeden anderen hätte sie reingelegt. Aber man arbeitet in diesem Geschäft nicht so lange wie ich, ohne in der Lage zu sein, den Unterschied zwischen einem Menschen und seiner spirituellen Form zu erkennen. Die Frau war diejenige, die bewusstlos auf dem Boden lag, das Ding mit dem tränenüberströmten Gesicht, das so herzerweichend zu mir aufsah, war die Tulpa. Und sie war es, die mich bat, das Original zu töten, damit sie endlich frei wäre.
    Ich tötete die Frau. Weil ich etwas wusste, was der Tulpa nicht bekannt war. Einmal befreit, gibt es keinen Weg, die Tulpa wieder in ihren Wirt zu bringen. Sie würde immer weitermachen, immer weitertöten, bis sie auf die einzige Weise aufgehalten würde, in der man eine Tulpa aufhalten kann: indem man den Wirt tötet, dem sie entsprungen ist.
    Ich tötete die Frau schnell und effizient. Sie wachte gar nicht mehr auf. Und die Tulpa löste sich in Luft auf und schrie ihre Wut bis zuletzt hinaus. Ich halte mich gern für einen Agenten und nicht für einen Killer. Aber manchmal gehört das zum Job.«
    Nachdem ich geendet hatte, sahen mich alle in einem neuen Licht. Ich war nicht sicher, ob mir das gefiel. Aber ich hatte diese besondere Geschichte aus einem ganz bestimmten Grund erzählt. Sie mussten verstehen, wie weit ich, wenn nötig, gehen würde.
    »Nun, Eddie«, sagte der Blaue Elf. »Das war ganz schön … heftig. Hätte nicht gedacht, dass du das draufhast.«
    »Natürlich hat er das drauf«, meinte Walker. »Er ist ein Drood.«
    »Du hast eben getan, was getan werden musste«, sagte Honey. »Wie du sagtest, das ist der Job.«
    »Manchmal«, erwiderte ich.
    »Wegen solcher Geschichten habe ich mich für die Industriespionage entschieden«, sagte Peter.
    Wir saßen weiter um das Lagerfeuer und starrten lieber in die Flammen als uns selbst an. Das Geschichtenerzählen war nicht so gut gelaufen, wie ich gehofft hatte, und ich war nicht sicher, was ich daraus über die anderen hatte lernen können. Dass sie alle knallharte, entschlossene Profis waren, absolut in der Lage, auch unbequeme notwendige Entscheidungen zu treffen, wenn es sein musste? Dass wir alle potenzielle Killer waren? Oder das jeder von uns in der Lage war, für Alexander Kings Preis dem anderen ein Messer in den Rücken zu stoßen? Das hatte ich schon gewusst. Ich war ein wenig erleichtert, dass alle Geschichten auf eine gewisse Moral des Erzählers hatten schließen lassen. Oder wenigstens darauf, dass sie wussten, dass es so etwas gab.
    Überraschenderweise hatte Peters Geschichte noch am wenigsten davon gehabt. Auch wenn das vielleicht für ihn etwas Besonderes war.
    »Wisst ihr«, meinte plötzlich der Blaue Elf. »Auch wenn wir für unterschiedliche Auftraggeber arbeiten

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