Shane - Das erste Jahr (German Edition)
sie hatten ihn noch nicht gewählt, noch nicht, doch kein Einziger in diesem Raum in der Kuppel hoch über der Stadt wollte noch warten, wollte nur noch eine einzige Minute darauf warten, es zu tun.
In dem riesigen Saal unter ihnen herrschte für einen Moment absolute Stille, das Wissen um die Anwesenheit des Mannes, den sie als ihren neuen Anführer sehen wollten, breitete sich unter ihnen aus wie eine Welle. Manche von ihnen lächelten, dann fingen sie wieder an, sich leise zu unterhalten.
Der Mann trat ein und schloss die Tür hinter sich. Er blickte sich kurz um und nickte den Anwesenden zu. Sein Blick war düster. Er schritt zu dem großen dunklen Schreibtisch, der gegenüber der Tür zwischen zwei Fenstern stand. Langsam ließ er sich in den Ohrensessel gleiten. Die zwei Jäger, die ihm am nächsten standen, schauten sich stirnrunzelnd an. Der Anführer hatte sich noch nie an den alten Sekretär gesetzt.
Nun stützte er den Kopf auf den rechten Arm und rieb sich mit der linken Hand langsam über das Gesicht.
Einer der älteren Jäger stieß sich von der Säule, an der er gelehnt hatte ab und kam auf den Tisch zu. „Wir sollten nochmal reden, was wir …“
„Genug geredet!“
Der Alte schluckte, die anderen schwiegen.
„Es geht los.“, kam die Stimme aus dem Ohrensessel.
Die Anwesenden blickten sich fragend an.
„Heute Nacht war jemand in den Katakomben. Der Raum ist geöffnet wurden.“
„Aber das ist völlig unmöglich, es gibt nie …“
„Lasst mich in Ruhe mit eurem scheiß Das ist völlig unmöglich!“ Der neue Anführer hatte sich erhoben und blickte sie an.
Die Jäger spürten seine enorme Kraft wie unter einem Mantel, der sie beschützte. Er hatte sich im Griff, er konnte sie dosieren, wie es kein zweiter konnte.
Es war fast …unmöglich.
Der Anführer schüttelte immer noch den Kopf. „Seit Jahren wissen wir, dass es nichts gibt, was es nicht gibt! Seit Jahrhunderten schon, seit Jahrtausenden! Also lasst mich damit in Ruhe!“
„Aber wie …“
„Der Raum wurde geöffnet und wieder verschüttet. Es ist unmöglich, ihn zu betreten oder zu kontrollieren, was ihm entnommen wurde. Ich schätze aber mal, das es alles war.“
Zwei junge Männer, die jüngsten unter ihnen, traten an den Sekretär heran. „Woher weißt du das? Es gab keine Meldung!“, sagte einer von ihnen.
Der Mann ließ sich wieder in den Sessel gleiten. „Ich habe es gespürt.“
Die Alten blickten sich an.
Der neue Anführer nickte und schaute an ihnen vorbei, als versuchte er, sich zu erinnern. „Ich habe es gespürt, doch als ich dort ankam, war es bereits zu spät.“ Er schwieg kurz und blickte dann jedem, der sich in dem Raum befand in die Augen. „Es war eine Kraft dort unten, wie ich sie noch nie wahrgenommen habe.“
„Warte mal!“, sagte einer der jüngsten stirnrunzelnd. „Redest du etwa von dem Beben heute Nacht? Das warst du?“
Der Anführer hielt kurz inne. Er rieb sich wieder mit der Hand über den Mund.
Die Erinnerung an die Nacht flackerten auf, drängten darauf, in seine Gedanken zu schießen, doch er hielt sie zurück, deckte sie nicht ohne Anstrengung zu.
„Was bedeutet das?“ Der junge Mann konnte nicht an sich halten, sprach er aber im Grunde nur das aus, was sich jeder in diesem Raum fragte.
Der Mann hinter dem Schreibtisch zuckte die Schultern. „Was soll die Frage? Soll ich euch aus den Büchern vorlesen? Es geht los! Es ist soweit!“
„Aber das ist unmögl…“ Dem Alten blieb das Wort in der Kehle stecken. Er starrte zu dem Schreibtisch, doch der junge Mann hatte nicht die Hand gehoben, er sah ihn noch nicht einmal an.
Er hatte ihn einfach so aufhalten können, ihn, der eine der besten Ausbildungen hinter sich hatte, einen der Ältesten, einer, der mindestens zweihundert dieser verdammten Augen und bestimmt das Doppelte dieser erbärmlichen Frettchen erledigt hatte!
Der junge Mann, der nun sehr nahe an dem Tisch stand, blickte sich kurz um und schaute dann wieder zu dem neuen Anführer.
Die Jungen scheren sich einen Dreck um uns Alte, dachte der verstummte alte Jäger. Sie haben Fähigkeiten Gott weiß woher und scheren sich einen Dreck!
Der Griff um seine Kehle war verschwunden, war einfach weg, ohne dass der Mann in dem Ohrensessel auch nur blinzeln hatte müssen, und dem alten Mann verlangte danach, sich an den Hals zu fassen, doch er zwang sich, es nicht zu tun. Es war nicht so, dass er Schmerzen hatte, es hatte einfach jemand in seine Kehle
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