Shane - Das erste Jahr (German Edition)
gefasst und seine Stimme weggenommen.
Der alte Mann starrte den neuen Anführer an. Er hatte noch nie jemanden getroffen, der zu so etwas imstande war. Und wenn es jemanden gegeben hätte, dann wäre er daran gestorben. Der alte Mann schüttelte den Kopf.
Solch eine Fähigkeit!
Solch Beherrschung!
Solch eine Macht!
Der junge Mann stützte sich nun auf das dunkle antike Holz und schaute dem Mann, den die Jäger als ihren Anführer wählen wollten, in die Augen. „Wie groß ist die Macht?“
„Ich weiß es nicht.“
„Wie viele sind es gewesen?“
„Ich weiß es nicht.“
„Du denkst, dass alle Aufzeichnungen weg sind?“
„Davon können wir ausgehen.“
Der Fragensteller richtete sich wieder auf. „Dann geht es also los.“
Der neue Anführer nickte. „Sieht so aus.“
„Wie groß, denkst du, ist die Armee?“
Der Mann in dem Ohrensessel schüttelte den Kopf. Dann beugte er sich nach vorn und verschränkte die Hände. „Wenn man den Aufzeichnungen glaubt, handelt es sich um eine einzige Person.“
„Beben in der Nacht?
Unerklärliche Vorkommnisse ereigneten sich gestern Nacht im Inneren der Stadt. Kurz nach Mitternacht wurde der innere Ring, wie die Region um die Stadtmauern herum genannt wird, für einen kurzen Augenblick erschüttert.Etwa 250 Anrufe von aufgeregten Bürgern gingen von 00.07 Uhr bis in die frühen Morgenstunden bei der Polizei ein.
Das spezielle Einsatzkommando, welches sofort gerufen wurde, jedoch auf Grund der immer noch anhaltenden schwierigen Wetterbedingungen erst gegen fünf Uhr heute Morgen eintraf, konnte keinerlei seismische Aktivitäten mehr feststellen.
Falls es ein Beben gewesen sein sollte, davon gehen die Experten aus, lag das Epizentrum im Bereich der Bibliothek.“
23.22 Uhr
Shane blickte auf den Wecker. Sie war aufgeregt, doch das Herz schlug ruhig in ihrer Brust. Sie hatte schon lange nicht mehr eine solche Ruhe verspürt, nicht mehr, seit sie sich immer ein und dieselbe Frage gestellt hatte, nicht mehr seit den Träumen. Und das war sehr lange her. Als sie sicher war, dass die Eltern schliefen, schwang sie die Füße aus dem Bett und stand auf. Auf dem Flur war es still.
Shane hatte sich bereits in ihrem Zimmer vollständig angezogen und den Rucksack aufgesetzt. Er war das einzige, was schwarz war, außer ihrer Haare natürlich.
Sonst war sie ganz in Weiß gekleidet.
Als Detektivin wärst du eine Null, Shane. Oder als Einbrecherin.
Sie zögerte kurz. Sie war keine Einbrecherin, sie war die rechtmäßige Besitzerin eines Schlüssels. Sie hatte ihn in eine ihrer Manteltaschen gesteckt, um der Versuchung zu widerstehen, ihn ständig zu berühren. Sie würde zwei freie Hände brauchen, wenn …Wenn etwas dazwischen kommen würde.
Sie schluckte und ging zügig weiter. Nur vor der Tür mit dem Stay out Zombie Schild würde sie etwas langsamer, sie drehte den Kopf und hätte beinahe geseufzt.
Ach, Mark!
Fetzen eines Gespräches und das Bild des verwunschenen Gartens schlichen sich in ihre Gedanken.
Wovon träumst du?
Shane schob die Erinnerung beiseite, sie hatte jetzt keinen Platz dafür.
Als sie die Treppe hinuntergelaufen war, zwei Stufen und ein Mandala, ging sie, ohne noch einmal zurückzublicken direkt zur der Haustür.
Inzwischen hatte sie es perfektioniert, diese praktisch ohne ein Geräusch zu öffnen und hinter sich zuzuziehen.
Draußen schoss ihr sofort die Kälte ins Gesicht, doch Shane wusste, dass es nur noch die letzten Atemzüge des Winters waren. Er würde bald sterben. Wer würde noch sterben, Shane?
Sie erschrak. Es war einige Zeit her gewesen, dass sie diese Stimme gehört hatte. Shane atmete tief ein und dachte an den Schlüssel. Heute Nacht würde sie nur die andere Stimme in sich hören, die stärkere!
Sie stieß sich von der Haustür ab und lief über den eisigen, vom Schnee befreiten Weg auf die Straße hinaus und in die Nacht hinein. Sie war überrascht, wie einfach es gewesen war, sich aus dem Haus zu stehlen.
Natürlich, Shane, welches siebenjähriges Mädchen schleicht sich mitten im Winter und in der Nacht davon? Nicht mal Gertie und Manfred würden so etwas erwarten.
Sie wunderte sich gleichzeitig, warum es ihr nicht eher eingefallen war, die Bibliothek in der Dunkelheit aufzusuchen.
Vielleicht, weil du eine scheiß Angst hast?
Sie schluckte und zwang sich, nicht darüber nachzudenken.
Die Straßen waren geräumt, sie waren noch nicht zu sehen unter der Schneedecke, doch es sah so aus, als
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