Shannara II
Schwester, wie du Cephelos Tochter bist? Er hat doch gesagt, daß du seine Tochter bist, oder nicht?«
»Das was Cephelo sagt, und das, was wahr ist, stimmt nicht unbedingt überein - es stimmt sogar höchst selten überein.« Sie neigte sich ihm ein wenig zu. »Cephelo hat keine Kinder. Er kaufte mich meinem Vater ab, als ich fünf Jahre alt war. Mein Vater war arm und konnte mir nichts bieten. Er hatte noch andere Töchter. Jetzt gehöre ich Cephelo. Aber ich bin nicht seine Tochter.«
Sie erklärte das so sachlich, daß Wil im ersten Moment überhaupt nicht wußte, was er darauf sagen sollte. Sie sah seine Verwirrung und lachte.
»Wir sind Fahrensleute, Wil - du kennst unsere Sitten und Gebräuche. Außerdem hätte es für mich viel schlimmer kommen können. Es hätte mir passieren können, daß ich an einen viel geringeren Mann verkauft worden wäre. Cephelo ist ein Führer; er genießt Achtung und hat einen hohen Rang inne. Das kommt auch mir als seiner Tochter zugute. Ich habe mehr Freiheit in meinem Leben als die meisten Frauen. Und ich habe viel gelernt, Heller. Ich kann es mit den meisten aufnehmen.«
»Das bezweifle ich nicht«, meinte Wil. »Aber warum erzählst du mir das alles?«
Sie schürzte spitzbübisch die Lippen.
»Weil ich dich mag - warum sonst?«
»Das eben möchte ich gern wissen.« Er ignorierte ihren Blick. Mit einer plötzlichen Bewegung richtete sie sich auf. Ihr Gesicht zeigte Verstimmung.
»Bist du mit diesem Elfenmädchen verheiratet? Ist sie dir versprochen?«
Seine Überraschung war deutlich.
»Nein.«
»Gut.« Die Verstimmung löste sich auf. Das Schalklächeln blitzte wieder in ihrem Gesicht. »Cephelo hat nicht die Absicht, dir dein Pferd zurückzugeben.«
Wil reagierte mit Vorsicht auf diese Behauptung.
»Das weißt du?«
»Ich weiß, wie er ist. Er wird dir das Pferd nicht zurückgeben. Er wird dich deiner Wege gehen lassen, wenn du ihm keinen Ärger machst und nicht versuchst, dir dein Pferd selbst wiederzuholen; aber das Pferd gibt er dir bestimmt nicht zurück.«
Das Gesicht des jungen Mannes war ausdruckslos.
»Ich frage dich noch einmal - warum erzählst du mir das alles?«
»Weil ich dir helfen kann.«
»Und warum solltest du mir helfen wollen?«
»Weil du dafür mir helfen kannst.«
Wil zog die Brauen zusammen.
»Wie?«
Belustigung funkelte in Eretrias dunklen Augen.
»Ich habe den Verdacht, Wil Ohmsford, daß du nicht der harmlose junge Mann bist, für den du dich bei uns ausgegeben hast. Ganz sicher bist du mehr als ein simpler Heilkundiger, der mit seiner Schwester durch die Ebenen von Callahorn reist. Ich habe den Verdacht, daß dieses Elfenmädchen deiner Obhut anvertraut wurde und daß du sie begleitest, um sie zu beschützen.« Eilig hob sie ihre gebräunte Hand, als er etwas entgegnen wollte. »Du brauchst nicht zu leugnen, Heiler - eine Lüge von deinen Lippen wäre an mich verschwendet, denn ich bin die Tochter des größten Lügners der Welt und verstehe mich viel besser als du auf die Kunst des Lügens.«
Sie lächelte und legte eine Hand auf seinen Arm.
»Ich mag dich, Wil - das ist keine Lüge. Ich möchte gern, daß du das Pferd zurückbekommst. Es ist dir offensichtlich wichtig, es zurück zu erhalten, sonst wärst du uns nicht gefolgt. Allein aber wird es dir nicht gelingen, dir dein Pferd zurück zu holen. Doch ich könnte dir helfen.«
Zweifel spiegelten sich in Wils Miene.
»Warum würdest du das tun?« fragte er.
»Wenn ich dir helfe, dein Pferd wieder zu bekommen, dann sollst du mich mitnehmen, wenn du von hier fortgehst.«
»Was!«
»Ich möchte, daß du mich mitnimmst«, wiederholte sie mit Entschiedenheit.
»Das kann ich nicht!«
»Du kannst es, wenn du dein Pferd zurückhaben möchtest.«
Hilflos schüttelte er den Kopf.
»Warum möchtest du fort von hier? Du hast mir doch eben erzählt, daß - «
»Das alles gehört der Vergangenheit an«, fiel sie ihm ungeduldig ins Wort. »Cephelo ist der Meinung, daß es für mich an der Zeit ist zu heiraten. Nach alter Tradition wird er mir meinen Ehemann aussuchen und mich ihm gegen die Bezahlung eines Preises übergeben. Mein Leben bisher war gut, aber ich habe nicht die Absicht, mich ein zweites Mal verkaufen zu lassen.«
»Könntest du denn nicht einfach allein fortgehen? Du scheinst mir dazu imstande.«
»Ich kann noch viel mehr schaffen, wenn es darauf ankommen sollte, Heiler. Das ist der Grund, weshalb du mich brauchst. Wenn du dir dein Pferd wieder holst - und ich
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