Shannara II
die Finsternis hinausblickte. Es war nichts zu sehen. Nichts rührte sich. Etwas zaghaft marschierte Cephelo bis zum Rand des Waldes, der die kleine Lichtung umschloß. Beide Hände lagen auf dem Griff seines wuchtigen Schwerts. Eine Zeitlang blieb er dort am Waldrand stehen, eine schwarze Silhouette vor dem Hintergrund der Bäume, darauf gefaßt, jeden Moment einen Angriff abwehren zu müssen. Aber nichts rührte sich. Alles blieb still. Schließlich machte er kehrt und schritt wieder zurück. Sein Gesicht war starr. Jetzt scherzte er nicht mehr. Die Pferde, die an einer schmalen Bucht des Sees angepflockt waren, wurden näher zur Wagenburg gebracht, damit man sie besser im Auge behalten konnte. Rund um die Lichtung wurden Wachposten aufgestellt und ermahnt, die Augen offen zu halten. Alle anderen kehrten ins Lager zurück und ließen sich im anheimelnden Feuerschein nieder. Der Wein wurde wieder herumgereicht, aber diesmal tranken nur wenige. Langsam kam auch das Gespräch wieder in Gang, doch die Stimmen waren gedämpft und ohne Ausgelassenheit, und häufig konnte man das Wort 'Teufel' vernehmen.
Wil führte Amberle ein paar Schritte von der Gruppe der anderen fort.
»Halte dich immer dicht bei mir«, sagte er leise. »Geh auf keinen Fall von mir weg.«
Mit forschendem Blick sah sie ihn erschrocken an. »Glaubst du - ?«
Das Gespräch der beiden wurde unterbrochen, als Cephelo plötzlich in die Hände klatschte und nach Musik rief. Mit lauten Rufen ermunterte er die anderen, es ihm nachzutun. Wil und Amberle folgten. Ein paar Beifallsrufe wurden laut, als Cephelo im Tanzschritt um das Feuer sprang.
Wil blickte sich voller Unbehagen um.
»Wenn da draußen irgendwas herumschleicht und womöglich das Lager angreift, dann verschwinden wir hier. Wir werden versuchen, an Artaq heranzukommen, und dann die Flucht wagen. Bist du bereit das zu riskieren?«
Sie nickte. »Sehr.«
Silbern klirrten die Becken, und die Saiteninstrumente sangen leise. Viele Hände klatschten in stetigem Rhythmus, ruhig und sicher.
Da brach das schreckliche Brüllen von neuem los. Ganz nahe diesmal dröhnte es wild und fürchterlich aus der Finsternis. Und in das Gebrüll mischten sich die Schreie der Wachposten, die voller Entsetzen waren. »Teufel! Teufel!« schrieen die Männer am Rande der Lichtung.
Die Leute am Feuer stoben auseinander. Die Männer stürzten zu ihren Waffen, während Frauen und Kinder in heilloser Verwirrung flohen. Ein Aufschrei, dünn und hoch, übertönte das allgemeine Lärmen. Beinahe augenblicklich erstarb er wieder. Jenseits des Wagenrings schob sich ein massiger dunkler Schatten durch die Nacht.
»Ein Dämon!« Wil flüsterte das Wort beinahe ohne Überlegung.
Einen Augenblick später tauchte das Geschöpf in einer Lücke zwischen zwei Wohnwagen auf. Es schob die kleinen Häuser auf Rädern auseinander, als seien sie aus Pappe. Kein Zweifel, es war ein Dämon, aber viel, viel größer als die Ungeheuer, vor denen Wil und Amberle aus Havenstead geflohen waren. Er bewegte sich auf zwei Beinen vorwärts und war mehr als fünfzehn Fuß groß. Der massige Körper, schwerfällig und gebeugt, war mit einer schwieligen, graubraun gesprenkelten Haut bedeckt, die in schweren Falten um Rumpf und Glieder schlotterte. Ein Schuppenkamm lief vom Hals des Geschöpfes den ganzen Rücken und beide Beine hinunter. Das Gesicht war eine leere Maske des Nichts, ein von Zähnen blitzender Rachen, aus dem das tiefe, dröhnende Brüllen hervorquoll. In zwei gewaltigen, klauenbewehrten Händen baumelte der leblose Körper eines der Wachposten.
Der Dämon schleuderte den Toten zur Seite und kam näher. Cephelo und ein Dutzend anderer Männer traten ihm mit Spießen und Schwertern entgegen. Einige Hiebe durchbohrten die dicke Haut, doch die meisten wurden abgewehrt. Das Ungeheuer bewegte sich langsam und schwerfällig, verfügte jedoch über unglaubliche Kräfte. Mit schlurfendem Schritt trampelte es die Mauer der Verteidiger einfach nieder, fegte die Männer, die sich ihm entgegenstellten, mühelos aus seinem Weg. Cephelo warf sich dem Dämon direkt in den Weg und schnellte sich mit einem gewaltigen Sprung vom Boden ab, um dem Ungeheuer das Schwert in den aufgerissenen Rachen zu stoßen. Das monströse Geschöpf zermalmte das Schwert mit einem Biß in kleine Splitter, während seine Klauenhände nach dem Führer der Fahrensleute faßten. Cephelo war flink und entkam, doch ein anderer Mann, der in seiner Hast über die eigenen
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